Inklusion von Schwerbehinderten:Vorurteile als Barriere

Lesezeit: 2 min

Viele Unternehmen im Landkreis erfüllen die Vorgaben. Dennoch gibt es bei manchen Arbeitgebern noch immer Vorbehalte gegen behinderte Arbeitnehmer. Mit Aufklärung und Fördermöglichkeiten sollen diese beseitigt werden

Von Julia Kiemer, Landkreis

Es soll schwerbehinderten Menschen das Berufsleben erleichtern und sie in Arbeitsprozesse integrieren. Das neunte Buch des Sozialgesetzbuches kümmert sich um Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, unter anderem ist dort die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen gesetzlich vorgeschrieben. "Man kann ein steigendes Interesse der Arbeitgeber hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten von schwerbehinderten Menschen feststellen, Handlungsbedarf besteht aber durchaus weiterhin", sagt Elvira Thoma von der Agentur für Arbeit die aktuelle Situation. Herbert Sedlmeier, Beauftragter für Menschen mit Behinderung im Landkreis, sieht ebenfalls nach wie vor Handlungsbedarf. "Die Barrieren sind immer noch in den Köpfen", gibt er zu denken.

Wenn Unternehmen Arbeitsplätze umbauen müssen, um sie für ihre Angestellten barrierefrei zu gestalten, werden sie von der Agentur für Arbeit gefördert. (Foto: Erwin Wodicka/Imago)

272 Arbeitgeber mit Hauptsitz im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es derzeit, die der Beschäftigungspflicht unterliegen. Insgesamt ergeben sich so 1008 Pflichtarbeitsplätze, von denen 913 besetzt sind. Knapp 91 Prozent erfüllen damit die vorgegebene Quote. So wie die Sparkasse Fürstenfeldbruck, die mit insgesamt 56 beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmern die geforderte Quote fast doppelt erfüllt. "Bei uns funktioniert die Integration meiner Meinung nach sehr gut", sagt Dirk Hoogen, Pressesprecher der Sparkasse in Bruck. Im Prinzip sei die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen lediglich eine Organisationsfrage. Probleme sieht er dabei deshalb nicht. Wilhelm Brugglehner, Geschäftsführer des Autohaus Rasch in Fürstenfeldbruck, hält die Beschäftigungspflicht indes auch für problematisch. "Grundsätzlich befürworten wir die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen sehr", erklärt Brugglehner. So würden in seinem Autohaus Schwerbehinderte schon lange zum Angestelltenkreis zählen. Durch die massiven Auflagen des Gesetzgebers sei es allerdings schwer, passende Kandidaten zu finden. "Die Regeln sind einfach zu starr", findet er deshalb. Die Menschen würden einfach oftmals nicht auf die gesuchte Stelle passen. "Das ist der Grund, warum wir die Beschäftigungsquote nicht mehr erfüllen können, andere Vorgaben wie mehrere Urlaubstage oder ähnliches sehen wir nicht als ein Problem an." Bei Cewe Color in Germering ist es eine normale Managementaufgabe, schwerbehinderte Menschen in die Arbeitsprozesse miteinzubeziehen. Über Probleme mit den rund zwanzig schwerbehinderten Arbeitnehmern im Unternehmen kann auch Geschäftsführer Stephan Reinhold nicht klagen. "Die Zusammenarbeit läuft insgesamt sehr gut. Wenn man sich die Schwerbehinderten annimmt, dann lernt man auch ihre zahlreichen Vorteile kennen", meint Reinhold. Die Ausgleichsabgaben, die man bei Nicht-Einhaltung der Quote zahlen muss, hält er indes für zu niedrig. "Erst bei höheren Zahlungen fangen die Manager an zu denken, dass es doch besser wäre, Schwerbehinderte zu beschäftigen", sagt Reinhold. Dabei sind die Ausgleichsabgaben erst kürzlich gestiegen, ab dem Anzeigenjahr 2016 - heuer gelten die neuen Sätze noch nicht - müssen Arbeitgeber etwa bei einer Beschäftigungsquote von unter zwei Prozent statt 290 künftig 320 Euro monatlich bezahlen.

"Manche Betriebe haben trotzdem immer noch ein Problem mit der Beschäftigung von Schwerbehinderten", so Herbert Sedlmeier. Es seien immer die gleichen Befürchtungen die Arbeitgeber bei der Einstellung von schwerbehinderten Menschen hätten. Immer krank, besserer Kündigungsschutz, mehr Urlaubstage. "Diese Vorurteile stimmen tatsächlich eher selten. Dass dieses Denken teilweise trotzdem noch präsent ist, dafür gibt es keine vernünftige Erklärung", sagt er. Durch die verpflichtenden Gesetze - vor Einführung der aktuellen Regelung 2001 gab es bereits seit 1953 eine Beschäftigungspflicht in ähnlicher Form - sei vor allem in den letzten Jahren eine spürbare Verbesserung eingetreten. Handlungsbedarf besteht Sedlmeiers Meinung nach dennoch. Auch wenn laut der Agentur für Arbeit die vielfältigen Informationsmöglichkeiten und die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Inklusion das Interesse der Arbeitgeber gesteigert haben, müsse weiterhin das Bewusstsein verbessert werden, so der Beauftragte.

Grundsätzlich müsse man aber auch bedenken, dass es für größere Unternehmen mehr Potenzial und Möglichkeiten gebe und schlichtweg teilweise einfacher sei, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen, heißt es bei der Agentur für Arbeit. Mittelständische Betriebe seien daher schon in den Fokus der Agentur gerückt. Zusätzlich gibt es auch Förderungsmöglichkeiten in Form von Zuschüssen, etwa für die behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes. Damit und mit weiterer Sensibilisierung und Aufklärung will man die Arbeitssituation verbessern. So sollen zukünftig noch mehr Möglichkeiten für schwerbehinderte Menschen geschaffen werden.

© SZ vom 01.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: