In der Stadthalle:Alles außer gewöhnlich

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Der 25 Jahre alte Felix Klieser (Mitte) und das Norwegische Kammerorchester bieten den Zuhörern in der Germeringer Stadthalle eine breite Palette dar. (Foto: Günther Reger)

Zum Start der Klassik-Reihe in Germering überzeugen das Norwegische Kammerorchester und der Hornist Felix Klieser, der sein Instrument mit dem Fuß bedient

Von Klaus Mohr, Germering

Die Eröffnung der neuen Saison der Klassik-Reihe Germering am Samstag im Orlandosaal machte zunächst vor allem durch einen außergewöhnlichen Musiker auf sich aufmerksam. Hochkarätige Musiker gibt es viele, aber einen Hornisten, der, weil er ohne Arme geboren wurde, die Ventile seines Instruments mit dem Fuß bedient, das ist einmalig. Genau deshalb zog dieser Abend außer den regelmäßigen Besuchern dieser Konzerte auch viele andere an. Damit aber war auch schon das größte Problem verbunden: Würde man dem 1991 geborenen Felix Klieser als wundersamer Erscheinung begegnen, die unter diesen Bedingungen ganz gut Horn spielt, dann hätte die Sensation über die Musik gesiegt. Von außen ähnelt die Biografie des Musikers sehr der anderer musikalisch Hochbegabter Jugendlicher: Schon früh war das Instrument seiner Wahl das Horn, er wurde als Jungstudent an der Musikhochschule Hannover aufgenommen und setzte anschließend das Hornstudium als Vollstudent regulär fort.

All diese Daten beziehen sich jedoch noch nicht auf das, was im Konzert zu erleben ist. Mit zwei Hornkonzerten, dem in D-Dur von Joseph Haydn Hob. VI:4 und dem in Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart KV 417 stellte sich Felix Klieser dem Publikum. Sein musikalischer Partner war das 1977 gegründete und aus rund zwei Dutzend Musikern bestehende Norwegische Kammerorchester unter Leitung seines Konzertmeisters Terje Tønnesen. Die beiden Werke sind von ihrer Faktur und stilistischen Ausrichtung her deutlich unterschiedlich. Hell und heiter, dabei ganz transparent begann der Eingangssatz Allegro moderato des Haydn-Konzerts mit der Tuttiexposition. Klar konturiert, mit einleuchtender Phrasierung beantwortete der Hornist die Vorlage. Dabei setzte er auf einen ganz weichen, flexiblen und sehr noblen Ton und vermied, dem klassischen Ebenmaß entsprechend, alles extrovertiert Schmetternde. Ruhig verzahnt war das Zusammenspiel auch im Adagio, in das Felix Klieser in die Kantilenen mit gut tragendem Ton eloquente Verzierungen einflocht.

Virtuoser im Anspruch war das Mozart-Konzert, und die in den Sätzen gewählten Tempi steigerten diesen Anspruch eher noch. Die Vitalität führte im Allegro-Kopfsatz zu sehr raschen Spielfiguren, die absolut punktgenau und intonationsrein musiziert wurden. Die allermeisten Hornisten können mit den Fingern nicht die Präzision und Geläufigkeit erreichen, die Felix Klieser mit den Zehen seines linken Fußes scheinbar mühelos zustande bringt. Im Andante spielte er mit den Farben des Horntons, die klangliche Modifikation, die andere Hornisten durch das Dämpfen mit der Hand erreichen, musste hier allein durch den Ansatz der Lippen umgesetzt werden.

Nach der Pause stand das Streichsextett "Verklärte Nacht" op. 4 von Arnold Schönberg auf dem Programm, und zwar in der Bearbeitung des Komponisten für Streichorchester. Dazu wurde der Raum ganz abgedunkelt und die Bühnenwände in intensiv blaues Licht getaucht. Die Musiker, die bis auf die Cellisten und die Kontrabassisten standen, hatten keine Notenpulte mehr und musizierten in dem etwa halbstündigen Werk folglich auswendig. Die Helligkeit auf der Bühne stand in Abhängigkeit von der jeweiligen Lautstärke des Stücks. Das programmatisch am Gedicht "Verklärte Nacht" von Richard Dehmel orientierte Werk transportierte die stark emotionalen Momente der Musik mit großer Kraft in den Orlandosaal. Dichter, satter Klang von höchster Intensität wechselte mit imitatorischen Passagen, in denen die motivische Verschränkung der Stimmen gut nachvollziehbar war. Für eine Episode wechselte die Farbe: Als sich aus der Grundtonart d-Moll ein D-Dur-Klang wie ein sich in eine andere Welt öffnendes Tor entwickelte, wechselte die Farbe für eine gewisse Zeit von blau nach rot. Diese synästhetischen Wirkungen standen in engem Zusammenhang mit dem Erleben dieser Musik, bei dem sich Eindrücke wie der eines schwebenden oder wogenden Klangs wunderbar einstellten. Dafür war das souveräne Zusammenspiel der Musiker absolut konstitutionell. Am Ende gab es als Antwort auf den mit Bravo-Rufen angereicherten Beifall noch eine Zugabe.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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