In der Brucker Stadtbibliothek:Versuch eines Blicks über den europäischen Rand

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Sigrid Löffler spricht in der Stadtbibliothek über Autoren, die nach Großbritannien geflohen sind. Moderiert wird der Abend von Thomas Kraft. (Foto: Günther Reger)

Bei der Fürstenfelder Literaturreihe erzählt Sigrid Löffler, wie sie den Begriff Weltliteratur neu beschreiben möchte. Die Erwartungen erfüllt sie nicht ganz

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es ist ein großes, wichtiges und längst überfälliges Thema, dem sich die große Literaturkritikerin und Publizistin Sigrid Löffler in ihrem aktuellen Buch widmet. Es heißt "Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler". Löffler hat es sich zur Aufgabe gemacht, die von Goethe geprägte Definition des Begriffs als Sammlung der großen europäischen Werke neu zu definieren. Sie will den Blick über den eurozentristischen Ansatz hinaus weiten und greift damit die Global-Literatures-Forschung aus dem angloamerikanischen Raum auf. Unter diesen Voraussetzungen hätte ihr Besuch in der ausverkauften Brucker Stadtbibliothek im Rahmen der Reihe "Literatur in Fürstenfeld" durchaus hochinteressant werden können. Leider konnte der Abend die Erwartungen nicht ganz erfüllen - und das gleich auf mehreren Ebenen.

Das lag auch an Thomas Kraft, dem Leiter der Literaturreihe, der den Abend moderierte. Das tat er allerdings so ausschweifend, dass er am Ende der gut einstündigen Veranstaltung gefühlt den gleichen Wortanteil hatte wie Löffler. Statt mit kurzen Fragen Impulse zu geben, holte er immer wieder weit aus, fasste nur das zusammen, was Löffler gerade schon gesagt hat oder erzählte so viel, dass er am Ende den Bogen zur Frage nicht mehr spannen konnte und abrupt mit einem "Ja..." an Löffler übergab. Dann wieder fragte er so viel auf einmal, dass die Autorin nur antworten konnte: "Das waren jetzt aber viele Fragen auf einmal. Ich sortiere das jetzt erst einmal und antworte dann".

In ihren Gesprächspassagen erklärte Löffler dann, wie sie den Begriff "Weltliteratur" versteht. Sie beschränkte sich dabei darauf, sich Migranten anzuschauen, die mit dem Zusammenbruch des britischen Empires nach London kommen und dort anfangen, auf Englisch über ihre Reiseerfahrungen, Heimatländer und Kultur zu schreiben. Dabei macht sie drei Wellen aus: Die Ende der Vierzigerjahre von der britischen Regierung eingeladenen Karibikbewohner, die man damals als billige Arbeitskräfte brauchte, die Flüchtlinge vom indischen Subkontinent infolge der Zerfallskriege und zuletzt die Bewohner der ehemaligen Kolonien. Als Beispiele nennt sie unter anderem drei Literaturnobelpreisträger: V. S. Naipaul, der aus Trinidad und Tobago stammt, J. M. Coetzee aus Südafrika und Doris Lessing, die im heutigen Iran geboren wurde, aber in Simbabwe, damals Südrhodesien, aufwuchs.

In ihrem Vortrag erklärte Löffler, welche Bedeutung die vielen migrantischen Schriftsteller für die britische Literatur haben, welche Einflüsse sie mitbrachten und wie sie die Sprache erweitert und gewandelt haben. Dabei gebe es drei große Themen, die all ihren Büchern gemeinsam seien, die globale Migration, die Landflucht und die Verstädterung. Gelesen hat Löffler an diesem Abend nur zwei kurze Passagen aus ihrem Buch. Einmal die Einleitung, in der sie über den Begriff der Weltliteratur schreibt, von Goethe bis zum Kommunistischen Manifest von Marx und Engels, die damals schon eine Globalisierung der Literatur parallel zur Wirtschaft vorhergesehen haben. Und eine Stelle, in der sie schreibt, wie drei junge Menschen in England ankommen und sich nur langsam zurechtfinden, bevor sie mit dem Schreiben beginnen. Am Ende löst sie auf, dass es die drei genannten Nobelpreisträger sind.

Schade ist, dass sich die Literaturkritikerin Löffler nur auf den britischen Raum konzentriert und etwa die Situation in Deutschland nicht anspricht. Zudem, und das ist der Makel ihres Ansatzes, präsentiert sie eben nur Autoren, die nach Großbritannien kommen und dort auf Englisch schreiben. Der angekündigte Aufbruch der eurozentristischen Perspektive ist das nicht.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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