Hilfe in der Not:Eine Bleibe für junge Obdachlose

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Sechs Plätze hält die Unterkunft vor, die auf der Lände in Fürstenfeldbruck für obdachlos gewordene junge Menschen eingerichtet wird. (Foto: Günther Reger)

Mehr als 200 Frauen und Männer zwischen 18 und 27 Jahren im Landkreis haben keinen festen Wohnsitz. Die Zahlen steigen. In Fürstenfeldbruck öffnet zu Jahresbeginn eine kleine Unterkunft

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Obdachlosigkeit ist kein Problem, das nur ältere Menschen betrifft. Im Gegenteil. Auch immer mehr junge Menschen im Landkreis sind ohne feste Bleibe. Um sie zu unterstützen, wird zum Jahresbeginn in Fürstenfeldbruck eine Beratungsstelle mit Unterkunft für genau diesen Personenkreis eröffnet.

Eigener Wohnraum ist gerade für junge Menschen, die von einem Ausbildungsgehalt leben müssen oder sich noch in schulischer Ausbildung befinden, schwer zu finanzieren, und günstige Wohnungen sind ohnehin selten geworden. Ohne finanzielle und persönliche Unterstützung durch die Eltern sei das eine Herausforderung, an der viele scheitern, schreiben die beiden Diplom-Sozialpädagoginnen Renate Jatzeck und Katharina Lahmann-Mansour, die für die Caritas ein Konzept für die neue Beratungsstelle vorgelegt haben. Die Zahl junger Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, die keine Wohnung haben, steigt demnach auch im Landkreis Fürstenfeldbruck, der im Speckgürtel von München zu den teuren Landkreisen zählt, kontinuierlich an. Betroffen sind den Autorinnen zufolge vor allem junge Erwachsene, die aus prekären Familienverhältnissen stammen, die "aufgrund von Gewalterfahrungen, unüberwindbaren Streitigkeiten und vielen anderen Gründen nicht mehr in ihrer Ursprungsfamilie leben können" und oft aus der Not heraus das Elternhaus verlassen, sobald sie volljährig sind.

Wie viele junge Menschen tatsächlich obdachlos sind, ist schwer herauszufinden. Die Caritas versuchte es, unterstützt vom bayerischen Sozialministerium, im Vorjahr durch eine Befragung verschiedener Einrichtungen wie Kommunen, Pfarreien, Schulen oder Beratungsstellen. Daraus ergab sich, dass im Jahr 2014 insgesamt 149 junge Erwachsene im Landkreis ohne feste Bleibe waren, ein Jahr später bereits 199. Eine differenzierte Auswertung war nicht bei allen Fragebögen möglich, dennoch steht fest, dass der Frauenanteil an den jungen Obdachlosen deutlich höher ist als jenes Viertel, das man bisher angenommen hat. Etwas mehr als der Hälfte sind Deutsche. Ein Problem ist auch, dass Wohnungslosigkeit von den Betroffenen aus Scham häufig verschwiegen wird.

Auf das Thema aufmerksam machte bereits vor drei Jahren eine mit Fachleuten besetzte Podiumsdiskussion im Landratsamt mit dem Titel "Jung und obdachlos im Landkreis Fürstenfeldbruck". Damals war beklagt worden, dass die Betroffenen häufig auch an unklaren Zuständigkeiten scheitern. Mehr "interkommunale Zusammenarbeit" bei der Beschaffung von Wohnraum hatte damals der Sozialwissenschaftler Tilo Klöck gefordert.

Bereits seit 1995 kümmert sich die Caritas in Fürstenfeldbruck mit einer Beratungsstelle an der Kapuzinerstraße - kurz Kap genannt - um Wohnungslose. Dort gibt es acht Notschlafplätze. Teestube, Kleiderkammer und Dusch- und Waschgelegenheiten bieten die Möglichkeit zum Tagesaufenthalt. Bisweilen wurden dort auch wohnungslose junge Erwachsene untergebracht, das freilich ist problematisch. "Das ältere Klientel der Kap", heißt es in dem Konzept, "stellt für junge Menschen mit hohem Schutzbedarf nicht das geeignete Umfeld dar", vor allem nicht für junge Frauen. Seit vier Jahren führt die Caritas außerdem an der Dachauer Straße die Fachstelle Wohnen, eine Beratungsstelle, die den Verlust der Wohnung verhindern helfen soll, indem Mitarbeiter beispielsweise Menschen beraten, die mit Mietzahlungen in Rückstand sind oder eine Räumungsklage erhalten haben.

Die neue Einrichtung, die in einem Gebäude zwischen altem Schlachthof und Bauhof auf der Lände 11 unterkommen soll, ist eine Vier-Zimmer-Wohnung mit sechs Plätzen, Büro und sozialpädagogischer Fachkraft. "Man braucht einen geschützten Raum für diese Klientel", sagt Heinrich Baumann, Fachdienstleiter bei der Fürstenfeldbrucker Caritas. Aufgenommen werden dort in Zukunft sowohl junge Männer als auch junge Frauen zwischen 18 und 27 Jahren, allerdings keine Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen, weil die Stelle weder personell noch räumlich dafür ausgelegt ist. Der Landkreis wird die Einrichtung über eine Kooperationsvereinbarung mit der Caritas mit jährlich 150 000 Euro unterstützen - zunächst bis zum Jahr 2020. Zustimmen müssen noch die Kommunalpolitiker aus dem Kreistag. Das Projekt finanziert sich zudem über Tagessätze, die die für Obdachlose zuständigen jeweiligen Kommunen aufbringen müssen. Weil das Projekt, wie Baumann sagt, auf Spendenbasis vorfinanziert sei, können die ersten beiden Klienten noch in diesem November einziehen.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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