Hilfe für Bedürftige im Landkreis:Schreibtisch, Fahrrad, gesundes Essen

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Wie der Adventskalender drei Menschen half, über die die SZ Fürstenfeldbruck vor einem Jahr berichtet hatte

Es sind ganz alltäglichen Dinge. Dinge, die für die meisten Kinder in Deutschland so selbstverständlich sind, dass sie nicht auf die Idee kämen, sie auf ihren Wunschzettel für das Christkind zu schreiben. Doch die zwölfjährige Giti und ihre drei Jahre jüngere Schwester Yasmin freuen sich auch noch ein knappes Jahr später unbeschreiblich über den neuen hochwertigen Schulranzen, einen gebrauchten Laptop mit Drucker, einen neuen Schreibtisch samt Bett sowie ein paar weitere Einrichtungsgegenstände für ihre Zimmer. Die Mutter, Nasia Azam, konnte ihren Töchtern dank Spenden aus dem SZ-Adventskalenders die Sachen kaufen.

Die Drei leben in Puchheim, seit sich die aus Afghanistan stammende Nasia Azam vor vier Jahren von ihrem Mann trennte. Davor lebte die Familie in München. Aber der Mann ließ seine Familie regelmäßig und ohne Ankündigung tage- und wochenlang allein. Die heute 52-Jährige war damals immer wieder mit ihren kleinen Kindern ohne Geld. Als sie in so einer Situation eines Tages nicht mehr wusste, wie sie die Miete bezahlen sollte, ging sie zum Sozialamt. Der Tag war ein Wendepunkt in Nasia Azams Leben: Bald folgte die Trennung, inzwischen ist die Ehe geschieden.

Nasia Azam zog mit den Mädchen in die kleine Wohnung in Puchheim. Ihre Arbeit als Verkäuferin in einem Münchner Supermarkt, eine Festanstellung im 14. Jahr, macht sie zwar weiter. Doch in den 15 Wochenstunden, die sie zusätzlich zur Kinderbetreuung entbehren kann, verdient sie ohne die Einkünfte ihres Mannes nicht genug, um den Lebensunterhalt zu sichern. Also ist sie auf staatliche Unterstützung angewiesen, was letztlich ein sparsames Leben bedeutet. Schon ein gemeinsamer Besuch im Schwimmbad ist Luxus. Deshalb war es der Bauingenieurin, deren Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wird, wichtig, den Kindern Sachen zu schenken, die sie sich wünschen und die ihnen noch dazu das Lernen erleichtern. Damit sie später einen Beruf wählen können, der ihnen Spaß macht und der sie ernähren kann. "Ich habe selber keine Wünsche. Ich wünsche mir, dass die Kinder gesund bleiben und dass sie etwas lernen und gut in der Schule sind", sagt Nasia Azam.

Für Marhild S. bedeutete die Zuwendung vom Adventskalender nicht nur finanzielle Unterstützung. Die allein lebende, 75 Jahre alte Olchingerin hat sich zwar über das Geld "wahnsinnig" gefreut, denn so konnte die Rentnerin, die normalerweise nur Gemüse aus der Konserve isst, endlich einmal wieder etwas Gesundes und Frische zu essen kaufen. Aber mehr noch als das, war es die mit der Spende verbundene Anerkennung, die ihr gut getan hat. Dass sich die Öffentlichkeit und die SZ-Leser für sie interessieren und ihr helfen, bedeutet für Marhild S. auch, nicht vergessen worden und nicht allein zu sein.

Emma T. konnte zu ihrem fünften Geburtstag durch die Spenden des SZ-Adventskalenders das erste Fahrrad bekommen, ein Therapierad. (Foto: oh)

Marhild S., die jahrelang hart gearbeitet hat, hat sämtliche Ersparnisse für die langwierige Pflege schwerkranker Familienmitglieder ausgegeben. Die gebürtige Giesingerin hat bereits in jungen Jahren schwere Schicksalsschläge erfahren müssen und nicht nur früh ihren Vater, sondern über die Jahre auch ihre fünf Geschwister, ihren kleinen Sohn und ihren Mann verloren. Der letzte vertraute Mensch, der ihr geblieben ist, ist der beste Freund ihres Ehemannes, der am Tegernsee wohnt. "Wenn das klappen würde, dass ich ihn noch einmal sehe, ich wäre so glücklich", hat Marhild S. im vergangenen Jahr gesagt. Weil der Freund gesundheitliche Probleme hat, konnte er Marhild S. seit 13 Jahren nicht besuchen. Und für die Rentnerin, der von ihren 900 Euro im Monat, nach Abzug der 500 Euro teuren Miete und anderer Fixkosten im Monat nicht mehr viel bleibt, konnte sich die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlichtweg nicht leisten.

Mit der Zuwendung durch den Adventskalender wurde auch der Ausflug an den Tegernsee für Marhild S. möglich. "Die Spende hat ihr unheimlich geholfen und auch einige Sorgen abgenommen", bestätigt auch die ehemalige Landratsstellvertreterin Gisela Schneid, die die Olchingerin als ehrenamtliche Seniorenhelferin der Bürgerstiftung für den Landkreis Fürstenfeldbruck betreut. "Ihr ist wirklich ein Stein vom Herzen gefallen."

Für Emma T. erfüllte sich zu ihrem fünften Geburtstag mit Hilfe des SZ-Adventskalenders ein lang ersehnter Herzenswunsch: das erste Fahrrad. Kein x-beliebiges, sondern ein Therapierad, das knapp 2000 Euro gekostet hat und genau an Emmas Bedürfnisse angepasst ist. Denn als sie zwei Jahre alt war, erhielt sie die Diagnose "Rett-Syndrom", eine schwere seelische und körperliche Entwicklungsstörung. Es ist ein seltener Gendefekt auf dem X-Chromosom. Deswegen werden fast nur Mädchen damit geboren, nur etwa 50 Kinder im Jahr. Die Symptome sind vielfältig. Am häufigsten leiden die Betroffenen an epileptischen Anfällen, Autismus, Sprachstörungen und motorischen Problemen.

Marhild S. konnte dank der Spenden aus dem SZ-Adventskalender einen Freund am Tegernsee besuchen. (Foto: Johannes Simon)

Bevor Emma losradeln kann, schnallt Mutter Michaela T. ihre Füße fest, damit sie nicht von den Pedalen abrutschen. Um Emmas Bauch legt sie einen Gurt, der das Mädchen im Rumpf stabilisiert. Stützräder am Hinterrad geben Emma zusätzlichen Halt. "Emma hat sich im vergangenen Jahr sehr gut entwickelt", sagt Michaela T. stolz. Emma könne sicherer laufen und auch ihr Orientierungssinn habe sich verbessert. Mittlerweile wisse sie, wie sie mit dem Rad zum Spielplatz und wieder nach Hause komme. Ihre kleinen Radtouren bereiten Emma sehr viel Spaß. "Sie quiekt und lacht immer vor Freude", erzählt Michaela T.

Kürzlich bestätigte ein Rett-Spezialist Emmas Fortschritte: Sie sei perfekt therapiert. "Es war toll, so etwas zu hören", sagt Michaela T., die kurz nach der niederschmetternden Diagnose Abend für Abend das Internet nach vermeintlicher Hilfe durchsuchte und dabei immer nur über eine Frage nachdachte: "Können wir überhaupt noch ein normales Familienleben führen?" In gut einem Monat vielleicht noch viel mehr als bislang schon. Denn allen motorischen Fortschritten zum Trotz: Emma spricht nicht, obwohl ihr Gehirn laut EEG normal funktioniert. Zu Weihnachten soll Emma einen Sprachcomputer bekommen, mit dem sie sich dann künftig per Augenbewegung verständigen kann.

© SZ vom 19.11.2016 / alin, jbr, laha - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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