Heiligabend in Fürstenfeldbruck:"Es könnte sein, dass es zu Fleisch kommt"

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Andreas Leib (von oben links im Uhrzeigersinn), Aline Pronnet, David Kulbe, Alexa Zierl, Ariane Zuber und Walter Voit sowie Marion Behr versuchen, möglichst wenig klimaschädliche Gase freizusetzen – auch zum Weihnachtsfest. Dabei müsse man aber auch mal "Fünfe gerade sein lassen“. (Foto: Carmen Voxbrunner (5), Günther Reger)

Sieben Menschen aus dem Landkreis erklären, wie man das Weihnachtsfest ökologischer gestalten kann: vom Baum im Topf über Geschenkbeutel aus Stoffresten bis hin zum vegetarischen Raclette. Zuweilen gehen sie aber auch Kompromisse ein

Von Ingrid Hügenell und Ariane Lindenbach

Das Fest der Lichter und Geschenke ist nicht unbedingt klimafreundlich: Die mehr oder weniger großen Gaben müssen produziert und transportiert werden, gleiches gilt für Christbäume, deren Schmuck, die Geschenkverpackung. Für den Weihnachtsbraten aus Fleisch werden viele Klimagase freigesetzt. Kann man auch ökologischer Weihnachten feiern? Die Süddeutsche Zeitung hat nachgefragt, wie das geht. Es geben Auskunft Marion Behr, 49, die in Fürstenfeldbruck das Naturwarenhaus führt, für die Grünen im Eichenauer Gemeinderat sitzt und dort Umweltreferentin ist; Andreas Leib, 26, aus Moorenweis, gelernter Koch, der in Fürstenfeldbruck ein veganes Kochstudio führt. David Kulbe, 19, hat in Germering die Fridays-for-Future-Demonstrationen mitorganisiert und kandidiert auf der Liste der Grünen für den Stadtrat; Aline Pronnet, 28, Zero-Waste-Bloggerin und bei Münchner-Kindl-Senf fürs Marketing verantwortlich; das Ehepaar Ariane Zuber, 61, und Walter Voit, 60, aus Gröbenzell, Vorsitzende beim Bund Naturschutz und bei den Grünen sowie Alexa Zierl, 50, Stadträtin für die ÖDP in Fürstenfeldbruck.

Der Baum

Familie Leib hat heuer erstmals einen Baum im Topf. Er wird, so erklärt es Andreas Leib, im Garten übersommern und im kommenden Jahr erneut als Weihnachtsbaum dienen. "Die Massentötung von Bäumen will ich nicht verantworten", sagt er. Geschmückt wird der Baum mit kleinen Strohengeln, Kugeln und einer kleinen Lichterkette, die schon lange in der Familie sind. Die Familie von Marion Behr und Robert Reuter hat sich eine bayerische Bio-Tanne liefern lassen. Geschmückt wird sie mit selbst gebasteltem Schmuck aus Walkstoffen und Holz, es brennen echte gelbe Bienenwachskerzen - für Marion Behr ein Muss. David Kulbe weiß, dass Bäume, die man etwa im Baumarkt kauft, zuvor wochenlang im Kühlhaus lagern, wobei viel Kohlendioxid entsteht. Er selbst hat wenig Einfluss auf die Auswahl des Baums. Die ganze Familie feiert bei den Großeltern in München, die natürlich den Baum besorgen. Immerhin bedeutet das, dass die Kulbes in Germering keinen eigenen Baum haben. Und die Großeltern verwenden Schmuck, den sie schon seit Jahrzehnten besitzen. Bei Ariane Zuber und Walter Voit kommt seit etwa zehn Jahren ein Baum aus Holz und Hasendraht zum Einsatz. Er wird mit Tannenzweigen und Schmuck dekoriert. Die Gröbenzeller haben ihn selbst gebastelt. "Die gibt es aber auch günstig zu kaufen", sagt Zuber. Lichterketten seien nicht empfehlenswert: Ähnlich wie bei nicht zertifizierten Christbäumen sei "der Schadstoffausstoß enorm". Aline Pronnets Weihnachtsbaum hängt am Fenster; ihre Mutter hat ihr vor einigen Jahren einen Vorhang als umweltfreundliche Alternative zum echten Baum geschenkt. Der Schmuck dazu kommt vom Flohmarkt oder ist aus Naturmaterialien wie Stroh oder Holz. Bei Zierls holen jedes Jahr der Mann und die beiden Kindern einen selbst geschlagenen Baum mit der S-Bahn aus dem Grafrather Forst.

Verpackung und Dekoration

Geschenkpapier kaufen ist für alle, die nachhaltig feiern, keine Option. Bekommen sie welches, wird es aufgehoben und wieder verwendet. Damit es schön geglättet wird, legt Pronnet es unter die Matratze. Ariane Zuber empfiehlt, wenn es denn sein muss, Geschenkpapier aus Deutschland zu kaufen, das mit dem Blauen Engel zertifiziert ist. Buntes Glanzpapier, von dem zur Weihnachtszeit in Deutschland 8000 Tonnen verbraucht würden, sei nicht wiederverwertbar, bisweilen sogar giftig. Voit und Zuber haben voriges Jahr aus Stoffresten Beutel für die Geschenke genäht. "Die haben wir alle wiederbekommen", freut sich Zuber. Marion Behr nutzt das Papier, in dem manche ihrer Waren geliefert werden, als Geschenkverpackung, oder auch Zeitungspapier. Andreas Leib verpackt manches gar nicht, zum Beispiel seine selbst gestalteten Waldbilder aus Holz, Zapfen und Moos, oder die Marmeladen, Chutneys und eingelegten Gemüse, die er an Freunde verschenkt. Wenn etwas verpackt wird, nutzt auch er Zeitungspapier. Geschenkpapier und Schleifen werden auch bei Kulbes mehrfach verwendet. Aber bei der Tischdekoration gehe noch was, findet David Kulbe. Klebeband ist übrigens für die meisten ein No Go, es sei "Plastik pur", erklärt Pronnet.

Das Weihnachtsmenü

Für den Heiligabend ist bei Behrs ein vegetarisches Raclette geplant. Alle drei Kinder, Lina, 17, Luis, 20, und Kilian, 21, feiern mit den Eltern, und alle drei seien Vegetarier, sagt die Mutter. Sie und ihr Mann unterstützten das. An den Tagen danach kommen die Partner zu Besuch, und die seien keine Vegetarier. Die unterschiedlichen Ernährungsstile würden einfach akzeptiert. "Es könnte sein, dass es an den Feiertagen zu Fleisch kommt", sagt Behr. Wahrscheinlich werde sie beim Unglerthof in Puchheim einen Braten vom ökologischen Weidelamm holen. David Kulbes fränkische Großmutter besteht auf Bratwürsten zu Weihnachten. Für die vegan lebende Tante gibt es eine Alternative. "Teile der Familie würden bei veganem Essen auf die Barrikaden gehen", sagt er. "Es ist schwierig, das zu gestalten." Immerhin gebe es Einigkeit, dass das Fest nachhaltiger sein könnte. Fleisch ist im Elternhaus von Andreas Leib in Moorenweis an Heiligabend keine Option. Der Koch, der in einem Kärntner Bio-Hotel Küchenchef ist, wird für seine Eltern, seine Brüder mit Familien und sich ein dreigängiges veganes Gourmet-Menü zubereiten, mit Blaukrautcremesuppe, Waldpilz-Walnuss-Braten mit Beilagen als Hauptgang und einer Erdnuss-Schokoladen-Tarte zum Abschluss. "Die Kinder mögen das auch", sagt Leib. Und sein Vater gönne sich immer mal ein Stück Fleisch außer Haus. Für Leib ist das völlig in Ordnung: "Ich möchte niemandem aufschwätzen, was für ihn die richtige Ernährung ist. Es muss jeder selbst draufkommen." Im Hause Zierl mit einem vegetarisch lebenden Kind und einem Fleischesser kommt an Heiligabend Lasagne auf den Tisch. "Die kann man gut vorbereiten", sagt Zierl, und mit und ohne Fleisch zubereiten. "Klar ist vegetarisch besser für die Umwelt", erklärt Aline Pronnet. Da sie bei ihren Eltern feiere, habe sie keinen Einfluss auf das Menü. Zierl betont: "Weihnachten ist das klassische Familienfest. Da kann es auch mal nicht ganz ökologisch sein. Man muss auch mal Fünfe gerade sein lassen."

Die Feier

"Wir müssen immer ein bisschen singen", sagt Andreas Leib, seine "Mam", die Mutter, wolle es so. Und die Weihnachtsgeschichte werde auch immer gelesen. Die Bescherung gibt es erst nach dem Singen, Vorlesen und Essen. Anschließend stehen Brettspiele auf dem Programm. Bei Familie Behr ist die Feier ruhig, "das ist einfach eine Auszeit". Bei Kulbes steht das Familientreffen im Vordergrund, traditionell gibt es vor dem Essen und der Bescherung einen langen Spaziergang. Für eine gelungene Feier - auch zu anderen Anlässen - empfiehlt Aline Pronnet das Handykörbchen: Man nehme einen Korb, in das alle ihre Smartphones, Handys und sonstigen Digitalgeräte legen. In der verschärften Version gibt es eine Strafe für denjenigen, der als erstes wieder aufs Gerät schaut. "Was an Weihnachten schön ist, ist nicht digital. Das ist ein Gefühl, eine Stimmung", sagt Pronnet. "Und es spart Strom." Zierls, ein ökumenisches Paar, besuchen nachmittags den Familiengottesdienst, abends begleitet Alexa Zierl ihren Mann in die Christmette, wenn sie nicht zu müde ist. Dazwischen wird musiziert und gegessen, das Beisammensein mit der Familie genossen. "Bei uns wird an Weihnachten nur gegessen", es gebe weder Kirchenbesuch noch Gesang oder Spiele, erzählt Pronnet.

Die Geschenke

Bei Familie Behr gab es früher einen Geschenkeklassiker: Puzzles, die gemeinsam zusammengesetzt wurden. Außerdem Bücher und Tees oder Ähnliches. Bei Kulbes wird nichts Teures und Aufwendiges verschenkt, vor allem die Kinder, David Kulbes Cousin und Cousine, bekommen etwas. Die Erwachsenen tauschen Kalender mit Fotos von Familienfeiern und den Kindern. Ariane Zubers rät als nachhaltige Geschenke zu selbstgemachten Bienenwachstüchern, der umweltfreundlichen Alternative zu Plastik- oder Alufolie, sowie Badebomben aus Natron, Sheabutter und Zitronensaft. Bei allen ist ein Trend zu beobachten: Es gibt zunehmend Vereinbarungen innerhalb der Familien, auf Geschenke und "Konsumterror" zu verzichten.

Die Feiertage

Gerne gehen die Behrs zum Schlittschuhfahren, auf zugefrorenen Seen wie dem Wörthsee oder dem Mondscheinweiher. Einmal seien sie, als die Kinder noch kleiner waren, zum Schlittenfahren im Bayerischen Wald gewesen. "Das war schön und entspannt", sagt Marion Behr. Am allerliebsten liege sie daheim vor dem Feuer und schaue einfach nur vor sich hin. Andreas Leib fährt am 25. Dezember nach Kärnten in das Hotel, in dem er arbeitet. Dort gebe es eine Feier mit den Kollegen, und dann werden wieder Gäste bewirtet. Nach der Beschwerung spielen die Kinder bei Kulbes mit den Geschenken, die Erwachsenen unterhalten sich. Die Feiertage verbringen sie in aller Ruhe zuhause. An den Weihnachtsfeiertagen besuchen Zierls die Verwandtschaft, ähnlich machen es Voit und Zuber. Die Fortbewegung erfolgt mit der Bahn oder dem E-Auto, betankt vom Strom aus dem eigenen Sonnenkollektor.

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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