Grunertshofen:Himmelsboten auf irdischem Ausflug

Lesezeit: 2 min

Ein heute 66 Jahre alter Rentner erlaubte sich einst einen Jugendstreich und klaute zwei Porzellanengel - fast 50 Jahre später gibt er sie reuig zurück

Von Manfred Amann, Grunertshofen

Zur vorweihnachtlichen Zeit passt die Geschichte irgendwie recht gut, von der Mammendorfs Pfarrer Wolfgang Huber unlängst überrascht wurde. Zwei bemalte, knieend betende Porzellanengel, die vor 48 Jahren aus der Kapelle des katholischen Landschulheims im Moorenweiser Ortsteil Grunertshofen auf unerklärliche, ja rätselhafte Weise verschwunden waren, sind nun in einem Paket zurückgekehrt. Absender war ein heute 66 Jahre alter Rentner, der die Engel einst geklaut hatte und sie nun zurückgab, auch um sein Gewissen zu entlasten. Mittlerweile stehen die beiden Figuren wieder an ihrem einstigen Platz in der Kapelle.

Joso Mijic, der das Gotteshaus betreut, hat die in Rot und Blau gekleideten Engel in die Weihnachtskrippe integriert. "Sie sind jetzt meine Schutzengel und werden auf meine Schüler aufpassen", freut sich der Religionslehrer des Landschulheims. "Erst war ich schon sehr erstaunt über die Paketsendung, dann aber hat die Freude über die späte Rückgabe überwogen, vor allem als ich den beigelegten Brief gelesen hatte", erzählt Pfarrer Huber. Ein "Jugendblödsinn" sei es gewesen, war in dem Brief zu lesen, in welchem sich der Absender selbst bezichtigte, die Figuren vor nunmehr fast fünf Jahrzehnten entwendet zu haben. Noch nicht einmal 18 Jahre alt sei er damals gewesen, als er eines Abends mit Freunden unterwegs gewesen sei. "Wir waren in dieser Kirche und ich habe die Engel einfach mitgenommen", erinnert er sich und spricht von einem "absolut jugendlich-pubertären Quatsch".

Im Bayerischen Fernsehen, das in der Sendung "Abendschau" über die anrührende Begebenheit berichtete, meinte der Schuldige, er könne sich heute auch nicht mehr erklären, welcher Teufel ihn damals geritten habe. Über Jahre hinweg hätten die Figuren in seinen verschiedenen Wohnungen einen Platz gefunden, bis sie schließlich im Haus seiner Mutter auf dem Dachboden gelandet seien. "Dort habe ich sie vor einiger Zeit beim Aufräumen wiederentdeckt ", schrieb der reuige Sünder. Er habe die Engel daraufhin wieder zu sich genommen, fortan aber habe sein Gewissen an ihm genagt. Ständig habe er das Gefühl gehabt, von den Engeln angesehen zu werden, und nach und nach sei in ihm der Entschluss gereift, diese wieder an ihren angestammten Ort zurückzuführen. Er bereue den Diebstahl heute aufrichtig und hoffe, mit der Rückgabe, dem unrühmlichen Kapitel in seinem Leben ein Ende setzen zu können.

Die vom Absender in seinem Brief formulierte Frage, ob der Himmel nun für den geläuterten Dieb wieder offenstehe, entlockte Pfarrer Huber ein einfühlsames Lachen. Dass der Reuige die Engel stets sorgsam aufbewahrte, zurückgeschickt und sich geoutet habe, sei absolut sympathisch, so dass man gar nicht nachtragend sein könne. "Das macht normalerweise niemand, und es war ja auch nicht ganz humorfrei, sonst hätte er diese Schlussbemerkung mit dem Platz im Himmel nicht geschrieben", vermutet der Geistliche. Wegen der fast 50 Jahre zurückliegenden Tat könne ihm niemand mehr böse sein.

Um den reuigen Engeldieb zur beruhigen, hat im Pfarrer Huber einen freundlich zugeneigten Antwortbrief geschrieben. "Engel stehen traditionell für das Gute. Und wer sagt schon, dass sie ihre gesamte Zeit in einer kleinen Kapelle verbringen müssen?", schrieb der Priester und führte mit leicht humorigem Tenor an, dass es doch eindeutig besser sei, die Engel auch mal einen längeren Ausflug in die Welt machen zu lassen. "Ich denke, der Himmel steht Ihnen nach wie vor offen", tröstet Pfarrer Huber. Genau genommen habe sich der Absender die Engel quasi ja nur "ausgeliehen".

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: