Große Verärgerung:Streit um Asyl-Unterkunft verschärft sich

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Für den Stadtrat enthält das "letzte Entgegenkommen" des Freistaats nichts wirklich Neues. Die Politiker lehnen eine Schließung erst Ende 2026 und die Belegung mit bis zu 1100 Bewohnern kategorisch ab

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Im Streit zwischen Kreisstadt und Freistaat über eine Höchstgrenze für die Belegung der Asyl-Erstaufnahmestelle am Fliegerhorst sowie das Ablaufdatum der Betriebsgenehmigung ist kein Ende abzusehen. Im Stadtrat herrschte am Mittwoch über die Fraktionsgrenzen hinweg große Verärgerung über ein neues Vertragsangebot der Sozialministerin, das nach mehreren Monaten Pause vorgelegt worden war und sich weitgehend als alter Wein in neuen Schläuchen entpuppte. Die Fraktionen sollen sich nun bis Anfang Juni auf die Formulierung eines Antwortschreibens einigen.

Im Kern geht es um die maximale Belegung und darum, wann die Asyl-Unterkunft geschlossen wird, um die zivile Umnutzung des militärischen Geländes nicht zu behindern. Waren die Trakte rund um das ehemalige Unteroffiziersheim anfangs mit etwa 350 Personen belegt worden, so stieg die Zahl auf bis zu 1100. Vom rechtlich zulässigen Limit von 1600 Personen würden die Regierung sowie das bayerische Sozialministerium als Verhandlungspartner im Fall einer Einigung abrücken. Das Limit 1100 wollen sie aber nicht unterschreiten; zurzeit sind es etwa 900. Die Stadträte halten lediglich bis zu 500 Flüchtlinge für verkraftbar, die absolute Schmerzgrenze liegt bei 800 bis 1000 Personen. Verschärft wird die Lage dadurch, dass etwa 80 Prozent der Menschen aus Nigeria stammen. Die Anerkennungsquote für dieses Herkunftsland liegt bei lediglich 17 Prozent. Unter Berufung auf die Dublin-Vereinbarungen wird in der Regel versucht, sie nach Italien abzuschieben, weil sie dort erstmals auf EU-Gebiet registriert worden sind. In Fürstenfeldbruck stranden die Asylbewerber regelmäßig deutlich länger als die für eine Erstaufnahme-Dependance vorgesehenen drei bis sechs Monate. Auf einen Sozialbetreuer kommen mittlerweile auch nicht mehr 100, sondern bereits 225 Flüchtlinge. Ohne jegliche Perspektive und ohne Arbeitserlaubnis steigen Frust und in Einzelfällen auch Aggression. Jüngst hatten Bewohner vor dem Brucker Rathaus gegen ihre Lebensbedingungen protestiert.

Bruck hatte zunächst auf eine Befristung der Betriebsgenehmigung bis Ende 2020 gepocht, war der Regierung dann aber entgegengekommen: erst 2021, dann 2022 - sogar 2023 würde wohl akzeptiert werden. Die Regierung hingegen will am 31. Dezember 2026 festhalten und hat lediglich eine Überprüfung für drei Jahre vor dem Termin angeboten. Nur wenn sich da kein akuter Bedarf feststellen ließe, würde die Einrichtung geschlossen. Die Kriterien für diese Evaluation, die nun nach monatelanger Funkstille in einem Schreiben vom 21. März definiert worden sind, werden von den Stadträten als "windelweich" abgelehnt. In dem Brief bietet die frühere Sozialministerin Emilia Müller "ein letztes Entgegenkommen" an. Nur wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, würde der Freistaat eine Verlängerung über 2023 hinaus beschließen - ohne Beteiligung der Stadt. 2023 soll nur dann geschlossen werden, wenn bis dahin "kein höherer Zugang nach Bayern als rund 31 000 Personen pro Jahr" verzeichnet wird, sich die Bearbeitung von Asylverfahren nicht in die Länge zieht und sich "keine Verschlechterung bei erfolgreichen Rückführungen und kein erhöhter Familiennachzug" feststellen lassen.

Oberbürgermeister Erich Raff (CSU), der wiederholt im Sozialministerium verhandelt hatte und teils von seinem Vize Christian Götz (BBV) begleitet wurde, würde eine stufenweise Verlängerung über 2023 hinaus bei bewiesenem Bedarf zwar akzeptieren. Einen Vertrag mit einem einzigen Dreijahres-Schritt aber "würde ich so nicht unterschreiben". Die ganzen Formulierungen sind Philipp Heimerl (SPD) "viel zu schwammig", die Regierung finde sicher immer Gründe für eine Verlängerung. Auch CSU-Fraktionsvorsitzender Andreas Lohde warnte vor einem "Etikettenschwindel" und dem Überstrapazieren der Integrationsfähigkeit. Alexa Zierl (Die Partei und Frei) ärgert sich darüber, dass sich nur der Stadtrat wiederholt bewegt habe, die Regierung entgegen den Behauptungen substanziell aber auf der Stelle trete. In jedem Fall müsse die Stadt mitreden dürfen, wenn es um eine Verlängerung gehe. Ähnlich äußerten sich Herwig Bahner (FDP), der sich "nicht verarschen lassen" will, sowie Christian Stangl (Grüne), den "die Gutsherrenart" Emilia Müllers nervt.

Über große Druckmittel verfügt die Stadt in den Verhandlungen nicht, auch wenn es sich bei der 2014 bezogenen Unterkunft wegen fehlender Baugenehmigung streng genommen immer noch um einen Schwarzbau handelt. Defizite bei der Brandschutztechnik und Löschwasserversorgung wurden mittlerweile aber behoben. Theoretisch könnte die Stadt vor Gericht ziehen, um die Nutzung als Asyl-Unterkunft ohne formale städtische Genehmigung zu untersagen, die Erfolgsaussichten aber wären wohl nicht allzu gut.

Integrationsreferent Willi Dräxler (BBV) macht Landrat Thomas Karmasin (CSU) wegen der restriktiven Linie (Streichung von Taschengeld wegen mangelnder Kooperation) mitverantwortlich für die angespannte Lage in der Asyl-Unterkunft und sieht ihn in der Verantwortung, sich an den Kosten für vier zusätzliche Betreuungsstellen zu beteiligen.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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