Eines ist sicher: Das "Dogma Chamber Orchestra" musiziert nicht dogmatisch im Sinne von starrköpfig oder unbeweglich. Das aus 15 Musikern bestehende Ensemble um seinen Gründer, Konzertmeister und Leiter Mikhail Gurewitsch ist auf der Suche nach einer Verbindung von "zeitgemäßer Klassik-Interpretation mit einer modernen Konzertgestaltung", so das Programmheft. Das wiederum legt die Vermutung nahe, dass es eher um publikumswirksamen Mainstream geht - was ebenfalls nicht zutrifft. Die Streicher tun sehr akribisch das, was die Aufgabe jedes Musikers ist, nämlich nach Geist und Gehalt der Musik zu fragen, die sich hinter den Noten verbirgt. Und das tun sie sehr erfolgreich und überzeugend, wie die Konzerte in Planegg am Freitag und tags darauf bei der Gröbenzeller Konzertreihe bewiesen.
Der Abend begann mit dem Divertimento in F-Dur KV 138 von Wolfgang Amadeus Mozart. Das vielgespielte Werk vermittelte den Eindruck von "leichter Musik" in dem Sinne, dass sie oftmals geradezu schwerelos wirkte. Dieses Qualitätsmerkmal Mozartscher Musik kam in der Interpretation hier in beeindruckender Weise beim Hörer an: Sehr rasch und transparent wurde das Allegro genommen. Unter dem klaren Primat der ersten Violine sekundierte die zweite Geige in gemessenem klanglichem Abstand. Das Andante lebte von den stringenten Kantilenen der Oberstimme und den harmonischen Entwicklungen, die durch höhere Intensität des Tons verdeutlich wurden. Im ganzen Stück war das dynamische Spektrum nach unten weit geöffnet, nach oben aber nur vorsichtig ausgelotet, wodurch dieser mit Worten schwer zu beschreibende Effekt eines hingehauchten Klangs zielsicher unterstützt wurde. Der federnde Charakter im Final-Presto kam insbesondere durch die ganz leicht gespielten Begleitfiguren zustande, die den kammermusikalischen Gestus eines Divertimento verdeutlichten.
Peter Tschaikowsky war ein großer Verehrer Mozarts. Das Dogma Chamber Orchestra hatte intensiv und erfolgreich versucht, den kitschigen Staub, der oft über Tschaikowskys Serenade für Streicher op. 48 liegt, zu entfernen. Die Herangehensweise, Tschaikowskys Musik mit der Haltung Mozarts zu begegnen, zeitigte ganz stimmige Ergebnisse. Sehr dicht im Klang gingen die Musiker den Kopfsatz ( Allegro moderato) an, doch blieben sie bei aller Präzision in den Spielfiguren stets flexibel. Die Pausen waren im Walzer mindestens ebenso wichtig wie die Töne und trugen die wunderbare Viola-Melodie wie auf Wattekugeln.
Leider hat Ludwig van Beethoven keine Musik für Streichorchester geschrieben. Die Idee, eines seiner Streichquartette in möglichst texttreuer Übertragung mit Orchester zu musizieren, liegt also nahe. Mit Beethovens dramatischem Quartett in f-Moll op. 95 hatten die Musiker allerdings ein Werk gewählt, das von filigraner Intimität und komplexer Verschränkung der Stimmen lebt. Durch die chorische Bearbeitung vergröberten sich die klanglichen Strukturen und geriet die heikle Intonation oftmals alles andere als einwandfrei. Schön gelangen die gut austarierten Spannungsklänge, die durch den weitgehenden Verzicht auf Vibrato an Durchhörbarkeit gewannen. Am Ende gab es reichen Beifall sowie Zugaben.