Gernlindener Faschingsumzug :S-Bahn, Schwimmbad, Schuldenschnitt

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Auch Winkinger sind unterwegs. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Beim Faschingsumzug in Gernlinden machen sich die Gruppen über lokale und weltpolitische Ereignisse lustig. So wird der Bürgermeister wegen seiner Verkehrspolitik kritisiert und BMW für seine Fahrzeugtests mit heulenden Motoren und quietschenden Reifen. Aber auch für einen Kommunalpolitiker aus Olching haben sie sich etwas einfallen lassen.

Von Manfred Amann, Gernlinden

Ideenreich und mit viel Witz haben am Sonntag beim Faschingszug in Gernlinden Hunderte originell Maskierte mit 20 Motivwagen und ebenso viele Fußgruppen regionale und weltpolitische Ereignisse karikiert und so manchen Politiker durch den Kakao gezogen. Trotz Nebel und Kälte ist schon lange, bevor sich der Gaudiwurm in Begegnung setzt, auf dem Platz vor dem Bürgerhaus sprichwörtlich der Teufel los - auch wenn heuer weniger Zuschauer gezählt werden, als am frühlingshaften Faschingssonntag im vergangenen Jahr. Am Bratwurst-Stand und an den Zapfstellen bilden sich dennoch lange Schlangen.

"Glühwein ist heute gescheiter als Bier, meint eine Eisbärin vom Reinartz-Team, das sich um die Erderwärmung sorgt. "Wir sind weit gereist, weil sich niemand was um den Klimawandel scheißt", ist auf den schmelzenden Eisbergen zu lesen. Einige Gruppen nehmen sich den Maisacher Bürgermeister Hans Seidl vor. "Die Maximilianseiche musste weg, dafür kam Maisachs Kreisverkehr, oh Schreck" verkünden die "Frechen Hühner", als Mini-Eichen verkleidet. Ein Foto ihres Bürgermeisters haben sie an den Baumstamm genagelt. Und weil der Gemeindechef angeblich gerne möchte, dass seine Gemeinde international wird, schippern 42 Grundschüler in kleinen, selbst gebastelten Kreuzfahrtschiffen mit: "Von der Maisach über die Amper in die Donau und von dort in die ganz Welt", so Religionslehrerin Gabi Zotz. Eine Anspielung auf das neue Planschbecken, das im Maisacher Freibad entstehen soll, soll es natürlich auch sein.

Die Narren sind los in Gernlinden, mal unter freiem Himmel, mal hinter Gittern. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Als prächtig und naturnah aufgeputzte Faune beschwerten sich die Mitglieder der Gruppe "Lady Gracha" über den Lärm, der von der BMW-Teststrecke auf dem Fliegerhorst ausgeht": "Uns Faun treibt's aus'm Gernlindener Wald, weil der Krach von BMW durch unsere Heimat hallt". Die Fußballerfrauen vom TSV Gernlinden freuen sich mit einem mobilen Café auf eine neue Bleibe und die Gernlindener Haberfeldtreiber bereiteten ihre Flucht auf einen bunten Planeten mit Freiheit, Frieden und Freibier vor.

Von oben herab hat Angela Merkel mit einem Fernrohr die ganze Weltpolitik im Blick. Zum Beispiel die Euro-Zentralbank, die von "Panzerknackern" der Freiwilligen Feuerwehr Gernlinden als überquellender Geldkasten mit Zinsbarometer dargestellt wird. "Jetzt wird das Sparen auch schon teuer, dann schiaß ma as Geld hoid glei ins Feld", heißt es mit Blick auf die Negativzinsen. Die Faschingsfreunde Schneider schleppen einen prächtigen griechischen Tempel mit und werben provokant für einen Schuldenschnitt. Mit "Rauch und Krach" fahren der Burschen- und der Madl-Verein aus Emmering mit einem gemeinsamen Wagen als Kelten auf. Sie tragen Hörnerhelme, sind in Felle gekleidet und trinken Bier aus Hörnern, denn "die ersten Emmeringer müssen Barbaren gewesen sein".

Als Nikoläuse haben sich die Motorsportfreunde Olching in den Zug eingereiht. Der Nikolaus möge Erzieher bringen, wünschen sie - weil es die Stadt selber nicht schafft, genügend Personal anzuwerben. Zu den größten Wagen gehört ein riesiges, innen hohles Holzpferd, das mit dem Olchinger Stadtrat Ewald Zachmann in Verbindung gebracht wird. "Der Mythos von Troja wird real, mit Zachmann seit der Stadtratswahl" steht auf dessen Wanst geschrieben. Ihrem Ärger mit der Bahn machten sich die Gernlindener Burschen Luft. Sie fahren auf einer dampfenden Lokomotive, weil die S-Bahn oft zu spät kommt oder wegen Streiks oder Oberleitungsschaden immer wieder ganz ausfällt. Eine andere Gruppe wünschte sich indes gleich einen eigenen S-Bahnhof für Gernlinden, weil es nach Maisach gar so weit sei.

Guttl-werfende Vogelscheuche. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Als rothaarige schwarze Teufel mit einem "Höllenwagen" verurteilen die "Frisch-Auf-Schützen" aus Graßlfing das "Fracking als Tor zu Hölle". Die 22 Männer vom Kellerclub Gernlinden haben eine Luxusjacht gebaut, um in Anspielung auf die Serie im Privatfernsehen, die "schrecklich glamouröse Familie der Geißens", mit Reichtum und unbeschwerter Lebensart zu protzen. Reichtum spielt auch bei den Gernlindener Schürzenjägern eine Rolle. Umgeben von märchenhaften Haremsmädchen vergnügen sich etliche Aladine in 1001 Nacht und betätigen die Wunderlampe, wenn sie Geld brauchten. Die Burschen aus Nassenhausen bedaueren indes die reale Welt. Weil es heuer in Mammendorf am Faschingsdienstag nach dem Umzug keinen Kehraus mehr gibt, haben sie gleich schon mal ihre mobile Bar mitgenommen.

Nach dem Umzug, bei dem sich so mancher Zuschauer die Ohren wegen der aus riesigen Boxen hämmernden Musik zugehalten hat, geht der Straßenfasching vor den Bürgerhaus bis in die Dunkelheit hinein weiter.

© SZ vom 16.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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