Germering:Zoff in Sankt Martin

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Ein Pfarrer im Ruhestand hilft aus und gerät mit dem Kirchenmusiker aneinander. Die Sache eskaliert, das Ordinariat entbindet den Geistlichen von seinen Aufgaben. Doch bei den Gläubigen ist er beliebt. Die sammeln sogar Unterschriften für ihn

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Christian Schramm ist Kirchenmusiker in der katholischen Stadtkirche in Germering. Sein Platz ist oben an der Orgel - seit 16 Jahren. Er leitet auch mehrere Erwachsenen- und Kinderchöre in der Stadtkirche und arbeitet als Kirchenmusiker in der Diözese mit. Schramm hat sich seinen Platz in der Germeringer Kirche erobert. Das gefällt vor allem Josef Weinsteiger nicht. "Er oder ich", gab sich der 78 Jahre alte Pfarrer im Ruhestand laut Stadtpfarrer Andreas Christian Jaster kompromisslos. Übertriebene Selbstdarstellung warf Weinsteiger dem Organisten und Chorleiter in einer Erklärung beim Morgengottesdienst Anfang Juni in der Sankt-Martins-Kirche vor. Er nehme ihm zu viel Zeit weg im Gottesdienst. Der Kirchenmusiker saß dabei auf der Empore an seiner Orgel und hörte die heftige verbale Attacke Weinsteigers gegen ihn mit an. Sein Dienstvorgesetzter Jaster intervenierte schließlich beim Erzbischöflichen Ordinariat München und Weinsteiger wurde Ende September von seinen Aufgaben als Ruhestandspfarrer entbunden.

Die Kirche Sankt Martin wurde 1967 eingeweiht. Die früher eigenständige Pfarrei gehört heute zur Stadtkirche Germering. (Foto: Günther Reger)

Weinsteiger selbst, der sich gegenüber der SZ nicht äußern wollte, hatte zuvor in einem Brief an das Ordinariat die Entlassung Schramms gefordert. Begriffe wie "Diffamierung" oder Rufmord" machten die Runde. Alle Vermittlungsversuche halfen nichts: Der Konflikt endete nach vier Monaten vorerst mit der Entlassung Weinsteigers. Das führte zu einigem Aufruhr in der katholischen Gemeinde. Nach seinem Rausschmiss bildete sich ein Unterstützerkreis für Weinsteiger und sammelte 302 Unterschriften von Gemeindemitgliedern für seine Weiterbeschäftigung. Ende Oktober wurden diese an Stadtpfarrer Jaster übergeben und von ihm eine Stellungnahme eingefordert. Zudem schrieb der Unterstützerkreis an das Ordinariat und bat um die Wiedereinsetzung des Ruhestandspfarrers. Doch bisher blieb es bei der Entlassung Weinsteigers aus den Diensten der Kirche und dem Verzicht auf dessen Seelsorgemithilfe im Ruhestand.

"Das war Rufschädigung, sogar Rufmord", beklagt sich Schramm im Gespräch mit der SZ. Auch über fünf Monate nach dem Vorfall spürt man noch, dass er sich verletzt fühlt. Stadtpfarrer Jaster hatte sich hinter Schramm gestellt. "Ich stehe zu einem langjährigen Mitarbeiter", sagt Jaster, der beobachtete, dass Schramm "aus dem Gleichgewicht gekommen war". Der Eklat kam offenbar aus heiterem Himmel. Überraschend ist er auch deshalb, weil sich Jaster, Schramm und Weinsteiger seit mehr als einem Jahrzehnt kennen. Ganz reibungslos ging es wohl dann doch nicht. "Es gab zwölf Jahre lang eine relativ normale Zusammenarbeit mit Weinsteiger", formuliert Schramm rückblickend. Auch der Chor sei kein Problem gewesen. "Die Chormitglieder haben sich zum Handlanger Schramms gemacht", hatte Weinsteiger laut Jaster in seiner Fünf-Punkte-Erklärung öffentlich gewettert. Die Gemeinde sei von Schramm entmündigt worden. Schon der frühere Pfarrer Lanzinger sei wegen Schramm gegangen.

Mehrere Gottesdienstbesucher hatten nach der Attacke Weinsteigers aus Unmut die Kirche verlassen und sich so auf die Seite von Schramm gestellt. Stadtpfarrer Jaster qualifizierte die Erklärung Weinsteigers als "Diffamierung" und mehr: "Das ist ihm nicht so rausgerutscht, sondern vorbereitet und absichtlich willentlich so gesetzt", so Jaster, der dann noch hinzufügt: "Das geht nicht." Weinsteiger habe seine vorbereitete DIN-A4-Seite auch ans Ordinariat geschickt. Von Gottesdienstbesuchern gibt es aber auch eine andere Einschätzung des Vorfalls. "Die Erklärung war nicht beleidigend", sagt Gabi Baldus, die zum Unterstützerkreis von Pfarrer Weinsteiger gehört und auch Unterschriften für ihn gesammelt hat, als das Ordinariat den Ruhestandspfarrer entpflichtet hatte. Baldus bezeichnet sich als "engagierte Christin", die die Entlassung Weinsteiger nicht hinnehmen will. Baldus moniert auch, dass die monatlichen öffentlichen Gesprächsabende mit Weinsteiger in Sankt Martin nicht mehr stattfinden. "Man hat ihm seit Juni keinen Raum mehr zur Verfügung gestellt", so Baldus. Das zielt gegen Stadtpfarrer Jaster, der als Vorgesetzter der Stadtkirche, die aus den Pfarreien Don Bosco, Sankt Martin und Sankt Cäcilia besteht, diese Entscheidung getroffen hatte. Insgesamt gibt es etwa 15 000 Katholiken in Germering.

Es gab zahlreiche Gespräche von Jaster mit Weinsteiger. "Ich habe gehofft, dass er zur Einsicht kommt", so der Stadtpfarrer. Er hatte ihm angeboten auf einen Abendgottesdienst auszuweichen, den Weinsteiger dreimal im Monat hätte halten können. "Den hätten wir auch zeitlich auf 17 und 18 Uhr vorziehen können", sagt Jaster. "Auch ein anderer Organist sei möglich gewesen." Weinsteiger sei jedoch auf keinen Kompromissvorschlag eingegangen. Auch habe er eine Entschuldigung bei Kirchenmusiker Schramm abgelehnt. Jaster ratlos: "Da gab es kein Signal von ihm." Weinsteiger habe darauf bestanden, den sonntäglichen Morgengottesdienst in Sankt Martin zu halten. "Wenn Du mir das verbietest, halte ich keine Gottesdienste mehr", sei die kompromisslose Haltung laut Jaster gewesen. Daraufhin habe er sich an das Ordinariat gewandt und um die Entpflichtung Weinsteigers gebeten.

Organist und Chorleiter Schramm hat von Weinsteiger seit vier Monaten nichts gehört. Von den Gemeindemitgliedern habe er Unterstützung erhalten. "Auch gestern noch", erzählt Schramm. Das habe ihm gut getan. Weinsteiger selbst lehnte es ab, öffentlich über den Konflikt zu reden. Er wollte ein weiteres Gespräch mit Jaster abwarten, das zwischen den beiden Pfarrern nach langer Sprachlosigkeit jetzt doch noch vereinbart wurde. Jaster verschiebt deshalb auch sein Antwortschreiben an die protestierenden Gemeindemitglieder. "Den Leuten fehlt er", hält Gabi Baldus die Entscheidung Jasters und des Ordinariats für falsch. Weinsteiger genieße Ansehen bei den Gläubigen. "Er hat immer besondere Gottesdienste gefeiert und die Kirche gefüllt." Auch Jaster sprach von Versöhnung: "Es liegt mir nicht am Streit, ich mag die Leute zusammenbringen."

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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