Germering:Wunderwesen

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Füllt mit ihrer tiefen, rauen Stimme den Saal: Gabriele Misch. (Foto: Reger)

Gabriele Misch und Günter Edin verzaubern im Roßstall

Von Helena Schachtschabel, Germering

"Alles live, alles echt, Vorhang auf für die Wunderwesen der Nacht. Wundervoll, wunderbar, wundersam, hier wird noch Kunst statt Quote gemacht." Die Zeilen des ersten Stücks sind Programm, als Gabriele Misch und Günter Edin am Samstagabend ihre Chansons im Germeringer Roßstall präsentieren. Es sind in der Tat zwei Wunderwesen, die auf der kleinen Bühne ihre selbst geschriebenen Texte verkünden, die ihre Leidenschaft für die Worte und Geschichten mit dem Publikum teilen. Ihre Kunst ist extravagant, nicht gemacht, um der Masse zu gefallen. Sie ist aus dem Herzen kommend und einzigartig - ein Genuss für den, der das Besondere liebt.

In ihrem langen schwarzen Kleid, den roten Handschuhen, dem eleganten Tuch und den funkelnden Ohrringen sieht Gabriele Misch aus wie eine französische Grande Dame. Ihre tiefe raue Stimme füllt den kleinen Saal und die Melodien des alten Holzklaviers klingen, als hätte man sie in den Gassen von Paris eingefangen und hier im Germeringer Roßstall freigelassen.

"Komm, hol den Mond" lautet der Titel des Chansonabends, der sich um die Licht- und Schattenseiten der Liebe dreht.

Liebe umfasst hier mehr, als die Verbindung zweier Menschen. Die Künstler erzählen auch von der Liebe zur Kunst, der Liebe zum Leben, der Liebe zum Augenblick. Dabei wechseln sich gesungene Passagen fließend mit Gesprochenen ab. Duette und Solos machen das Programm bunt und aufregend. Voller Enthusiasmus leben Gabriele Misch und Günter Edin ihre Texte und ziehen die Zuschauer mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik in ihren Bann. Sie erzählen die Geschichten der französischen Madame Blanche, von Herrn Kurze, der von seiner Frau verlassen wird, und einem alten Tanzbären, dessen Leben gerettet wird. Es sind Geschichten über skurrile Ereignisse und alltägliche Situationen, welche sie den Zuschauern beinahe als Schauspiel vorführen.

Auch Witz und Komik kommen nicht zu kurz. Texte wie "Er hat seine Olle am Wühltisch gefunden und sie für ein Schnäppchen gehalten, doch Umtausch ist ausgeschlossen, Reduziertes nimmt keiner zurück", ziehen im Publikum ein Schmunzeln nach sich. Und auch die Soloparts von Günter Edin, der nicht nur als Pianist glänzt, können begeistern. "Moppelchen, süßes kleines Moppelchen. Und seit diesem Rendezvous bin ich mit ihr per Du." Der Refrain sorgt für Bierzeltstimmung im Roßstall. Es wird mitgesungen und im Takt geklatscht.

Doch auch nachdenkliche Texte finden an diesem Abend ihren Weg in den kleinen Saal. "Ich such im Nebel meinen Traum und dreh mich um mich selbst. Ich steh verlassen im Morgengrauen und dreh mich um mich selbst." Mystisch erklingt Mischs tiefe Stimme und wird von den sanften Klaviermelodien umarmt. "Ich hab meinem Traum zu viel Raum gegeben, das war ein Fehler. Mir bleibt nur, einen neuen Traum zu erlügen, möglichst bald, sonst werd' ich noch wach." Gabriele Mischs Texte sind poetisch und verzaubernd. Sie sorgen für einen magischen Moment im Theater und bringen die Zuschauer zum innehalten.

Typisch für das Chanson verpacken die Künstler auch kritische Gedanken in ihren Texten. So erzählt ein Lied von Geldgier und dem Mangel an der Liebe zu Mitmenschen: "Was nützt es schon die Mauer einzureißen, wenn sie im Herzen doch bestehen bleibt?" Die zuvor strahlende Gabriele Misch wird ernst. Ihr Blick ist hart, ihre Stimme bedrohlich: "Und willst Du dann mein Bruder sein, willst obendrein noch Geld, dann schlag ich Dir den Schädel ein, du störst in meiner Welt." Auch Günter Edin wird kritisch, verfeinert seine Passagen jedoch immer mit einer Prise Witz: "Denn vom dasteh'n und vom zuseh'n, da bleibt alles wie es ist", singt er sein Stück, welches immer wieder durch tiefgründige gesprochene Textpassagen durchsetzt ist.

Es ist vor allem ihre Liebe zur Bühne, welche den Chansonsabend von Gariele Misch und Günter Edin zu einem ganz besonderen Erlebnis machen. Die Leidenschaft der beiden Künstler klingt dabei in jedem Lied mit.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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