Germering:Wenn Desio mal Rücken hat

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Auch Pferde können an Verspannungen leiden und fühlen sich dadurch unwohl. Tiertherapeutin Annette Rohde-Lange aus Germering geht bei ihrer Behandlung ganzheitlich vor, sucht nach Unterbrechungen im Energiefluss und wendet ungewöhnlich wirkende Methoden an

Von Valentina Finger, Germering

Konzentriert tastet Annette Rohde-Lange Desios Rücken ab. Am Widerrist hält sie kurz inne und schiebt die Hände so zusammen, dass sich in dem braunen Fell des Wallachs eine Falte bildet. Desio lässt es sich gefallen. Er hat keine Schmerzen, lediglich ein paar Verspannungen, erklärt Rohde-Lange. Die verspannten Muskeln behandelt sie in diesem Fall mit Farblicht und leichtem Druck an den sogenannten Alarmpunkten.

Obwohl das 14 Jahre alte Pferd, das einer guten Freundin der Tiertherapeutin gehört, vor einer Weile einen inzwischen verheilten Sehnenschaden am Vorderbein hatte, fokussiert sie sich anschließend auf die Untersuchung von Desios Hinterbeinen. Einen Laien mag das verwundern. Doch für die Germeringerin, die bei ihrer Behandlungsmethode den Energiefluss im gesamten Pferdekörper im Blick hat, sind solche Zusammenhänge durchaus plausibel.

Vor fünf Jahren hat Annette Rohde-Lange, die zuvor Lebensmittelchemie studiert hat und in der Phytopharmazie tätig war, ihr Gewerbe in energetischer Pferdetherapie und Tierkommunikation angemeldet. Mit dem Thema beschäftigt sie sich allerdings bereits seit 20 Jahren. In dieser Zeit hat sie mehrere Lehrgänge absolviert, zum Beispiel bei der britischen Heilerin Margrit Coates, die auf die emotionalen Zustände von Pferden eingeht. Auch die Prüfung zur energetischen Pferdeosteopathin am Institut des Heilpraktikers Walter Salomon hat sie abgelegt. Dessen Methodik, wobei die Lehren der traditionellen chinesischen Medizin auf die Behandlung von Tieren übertragen werden, bildet den Schwerpunkt ihrer eigenen Herangehensweise.

Nicht zum Nachmachen für Laien gedacht ist diese Übung mit einer Karotte, mit der Annette Rohde-Lange die Beweglichkeit des Pferdes testet. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ihr erstes Seminar hat sie 1998 besucht, auf Empfehlung ihres Tierarztes, der offen für alternative Behandlungsmethoden dieser Art war. Zu dieser Zeit war ihr eigenes Pferd schwer erkrankt. Bei ihrer Stute Gipsy, die Rohde-Lange zuerst im Rahmen einer Reitbeteiligung betreut hatte und die sie später, nachdem ihre Besitzer sie verkauft hatten, auf einem Pferdemarkt wiederentdeckt hat, wurde damals ein Tumor an der Hirnanhangsdrüse festgestellt. "Ich glaube bei dieser Wiederbegegnung nicht an Zufall", sagt sie. "Da kommt wieder die Tierkommunikation ins Spiel."

Um dem Pferd in dieser Krankheitsphase beistehen zu können, hat sie sich fortgebildet und ist auch nach dessen Tod dabeigeblieben. Ihre zweite Stute Lucy war anders als die sanftmütige Gipsy, selbständig und ziemlich dominant, erinnert sich Rohde-Lange: "Mir war klar, dass ich von ihr viel lernen würde." Immer wieder sei Lucy gestürzt, scheinbar ohne Grund. Durch das Wissen, das sie sich damals bereits angeeignet hatte, habe sie schließlich erkannt, dass das Zungenbein des Pferdes nicht in der Mitte saß, was sich auf das Gleichgewicht ausgewirkt habe. Nach Lucys Tod hat sie sich kein drittes Pferd mehr angeschafft. Die Verantwortung sei ihr mittlerweile einfach zu groß, sagt sie.

Durch Druck an den entsprechenden Stellen kann Annette Rohde-Lange zum Beispiel Staus im Energiefluss aufspüren und beheben,was sich auf das körperliche Wohlbefinden auswirken kann. Die meisten Pferde,wie der Wallach Desio, lassen sich das gerne gefallen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Rohde-Lange sieht ihre Tätigkeit als eine ganzheitliche Methode, die in erster Linie zur Vor- und Nachsorge dient. Trächtige Stuten und Pferde mit Knochenbrüchen oder anderen akuten Leiden behandelt sie nicht. Erst, wenn Heilpraktiker, Chiropraktiker oder Tierarzt ihre Arbeit getan haben, setzt sie mit ihrer energetischen Behandlung ein. "Bei mir geht es darum, das Immunsystem zu stärken und den Organismus zu harmonisieren", sagt die 57-Jährige, die zwar mittlerweile selbst nicht mehr reitet, deren Liebe zu Pferden allerdings bereits anhält, seit sie mit ihrer Schwester als Siebenjährige regelmäßig Urlaub auf einem Reiterhof gemacht hat.

Ihre üblichen Kunden beschreibt sie als aufgeschlossene und neugierige Pferdebesitzer, die hohe Ziele mit ihrem Pferd haben. Oft stehen sie unter Leidensdruck, da sie schon einige Wege ausprobiert haben, das Problem, zum Beispiel ein chronischer Hautausschlag, aber trotz allen Maßnahmen fortbesteht. Bevor Rohde-Lange am Pferd arbeitet, hat sie immer mit den Menschen zu tun. Bei der Anamnese lässt sie sich die Vorgeschichte des Tieres erzählen, informiert sich über Impfungen und Verdauung, darüber, welches Futter das Pferd bekommt oder welchen Sattel es trägt.

Energiewirbel, Energiebahnen und Energiepunkte stehen im Zentrum der energetischen Pferdetherapie. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bei der eigentlichen Behandlung konzentriert sie sich auf Energiepunkte, Energiebahnen, auch Meridiane genannt, und Energiewirbel, bekannt als Chakren. Alle Drei sind zentrale Bestandteile asiatischer Heilmethoden, die bei Menschen seit Jahrtausenden angewandt werden. Die Pferdetherapeutin ist davon überzeugt, dass viele sichtbare Leiden und sogenannte Untugenden, wenn sich ein Pferd zum Beispiel dauernd an derselben Stelle scheuert, oft auf Fehlfunktionen eines inneren Organs hinweisen.

"Disharmonien, verursacht durch emotionale Missstände, äußere Verletzungen oder unbewusstes falsches Reiten, können zu Energiestaus führen, die behoben werden können", sagt sie.

Um das Problem zu lokalisieren, geht sie häufig mit einem Tensor, sozusagen einem Pendelstab, an die potenziell betroffenen Stellen heran. So könne sie feststellen, ob eine Ober- oder Unterenergie vorliegt und welcher Meridian davon beeinträchtigt sei. Störungen im Energiefluss könne sie daraufhin durch ein Anschieben der Energiebahnen, in Form einer Art Massage, beheben, erklärt Rohde-Lange. Je nach Fall arbeitet sie dabei auch mit Akupressur, Energiesteinen, Homöopathie oder Klang. Die meisten Pferde seien zugänglich dafür, sagt sie. Doch sie habe auch schon mit Pferden gearbeitet, die solche Annäherungen eher abgeblockt haben, weil sie zum Beispiel einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Hin und wieder treffe sie auf Pferde, die ihr aufgrund ihrer Körpergröße oder ihres Verhaltens Respekt einflößen. "Diese Tiere sind aber oft so sanft und sichtlich dankbar, dass ich sogar Tränen in die Augen bekomme", sagt Rohde-Lange. Während einige Menschen ihrer Tätigkeit eher skeptisch gegenüberstehen, weil sie dieses Vorgehen für esoterisch halten, sei es jene Dankbarkeit der Pferde, die sie immer wieder motiviere, mit ihrem Beruf weiterzumachen: "Mal zeigt sich der Dank in einem liebevollen Schnauben ins Haar, manchmal sind es auch die glänzenden Augen eines Pferdes, das nach einer schweren Phase wieder mit seiner Herde galoppiert." Solche Momente, in denen ihr klar wird, dass sie etwas Gutes bei einem Tier bewirkt hat, sind für sie immer das größte Lob.

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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