Germering:Verstörend

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Lehrer Ben Ross (Luisa Gutewort, stehend), will seiner Klasse zeigen, wie leicht Menschen zu manipulieren sind. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bewegende Inszenierung von "Die Welle" am Max-Born-Gymnasium

Von Moritz Dauer, Germering

"Ihr seid also der Meinung, dass eine Diktatur heute in Deutschland nicht mehr möglich wäre?". Mit diesem Satz beginnt das Theaterstück "Die Welle" und damit ein ebenso interessantes wie verstörendes Experiment. Dieses schweren Stoffes hat sich die Theatergruppe des Max-Born-Gymnasiums in seiner aktuellen Inszenierung angenommen, die am Montag Premiere feierte.

Dafür adaptierten die 20 Schüler des Mittelstufen-Theaters Szenen aus dem Buch und dem gleichnamigen Film "Die Welle". Der Roman basiert auf dem 1967 in Kalifornien durchgeführten Gesellschaftsexperiment "The Third Wave". Der Autor Morton Rhue beschreibt in seiner Erzählung, wie leicht Menschen zu manipulieren und zu verführen sind. Die Handlung dreht sich um eine Klasse, die davon überzeugt ist, dass eine Diktatur nach der deutschen Vergangenheit nicht mehr möglich wäre. Deshalb startet deren Lehrer ein Experiment, mit dem er der Klasse zeigen will, wie einfach er ihr Vertrauen missbrauchen kann. Durch einfache Grundregeln, wie Disziplin, Gemeinschaft und Gleichheit, bringt der Lehrer Ben Ross, gespielt von Luisa Gutewort, seiner Klasse bei, was es heißt, Teil einer Gruppe zu sein. Doch nach und nach gerät der Versuch außer Kontrolle. Das Projekt verwandelt sich in eine faschistische Bewegung, die sich selbst "die Welle" nennt. Deshalb versucht Ben noch eingreifen, bevor Schlimmeres passiert.

Die Idee, gerade dieses Stück aufzuführen, kam ausschließlich von den Schülern der Mittelstufe selbst. Als der Entschluss gefasst war, brachten sich alle ein, um in einem Zeitraum von einem Jahr die Inszenierung zu entwickeln. Das Ergebnis präsentieren nun in dieser Woche.

In der kleinen "Halle 4", die von der Größe her eher einem Klassenzimmer ähnelt, wohnen etwa 150 Zuschauer der Premiere bei. Auch wenn die Gäste bei abendlicher Wärme ein ungewolltes Saunaerlebnis erwartet, schaffen es die Nachwuchsschauspieler trotzdem, das Publikum zu begeistern. Ohne die Technik geht das selbstverständlich nicht. Bis auf einen kleine Ausfall am Ende läuft diese reibungslos.

Die Inszenierung bedient sich eines betont schlichten Hintergrunds aus schwarzem Stoff. Durch die gezielt nüchtern gewählte Szenerie kommen die Handlungen und Dialoge der Schauspieler deutlich zum Vorschein. Diese bewusste Reduktion der Optik führt dazu, dass die manipulative Ebene der Geschichte hervorgehoben wird. Vor allem in den Szenen, in denen der Text im Vordergrund steht, müssen die Schüler erst recht ihre Sprachsicherheit beweisen. Diese Aufgabe meistern sie jedoch mit Bravour. Auch Natalie Starick, die Laurie, eine Kritikerin der Bewegung, spielt, kann trotz kleiner Stimmprobleme am Vorabend mit einer soliden Leistung überzeugen.

Regie führt der Lehrer Andreas Kainzinger, der mit der Aufführung sein Debüt als Leiter der Gruppe gibt. Mit dem gezeigten Stück kann er, trotz kleiner Bühne, die Zuschauer gewinnen. In Szenen wie dem Gruppenaufmarsch der Welle-Mitglieder, dargestellt von Betül Delikus, Norina Tabak, Tassilo Wolff und weiteren, erzeugt die Inszenierung echte Gänsehaut.

"Ich fand es super!", sagt Kim-Lucas Kozian nach der Aufführung. Er selbst spielt Robert, den Außenseiter, der erst als Mitglied der Welle Anschluss in der Klassengemeinschaft findet. Kim-Lucas ist schon lange vom Theater begeistert und auch dieses Mal ging es ihm nicht anders, als er erfuhr, was gespielt werden soll. Er hat das Buch schon im Vorfeld gelesen. Deshalb wollte er unbedingt Robert spielen, eine Figur, mit der er sich bereits auseinander gesetzt hatte.

Nach der Pause werden dann auch die Türen zum Vorstellungsraum offen gelassen, wodurch man das Stück noch mehr genießen kann. Die Aufführung endet unter lautstarkem Beifall des Publikums. Den haben sich die Schülern auf jeden Fall verdient, denn für Laien ist das definitiv eine gute Leistung.

An diesem Donnerstag, 14. Juli, ist "Die Welle" zum letzten Mal am Max-Born-Gymnasium zu sehen. Beginn ist um 19 Uhr, Restkarten sind an der Abendkasse erhältlich.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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