Kurz vor Heiligabend kommt auch in der Lagerhalle des Paketdienstleisters "Schnell" so langsam Weihnachtsstimmung auf. Der etwas rundliche Georg, Latino Manuel, der ernste Paul und der unselbstständige Siggi packen vor Feierabend ihre Geschenke aus. "Wahnsinn! Ein chinesisches Kochbuch", freut sich Manuel. "Das Christkind weiß eben alles", erklärt ihm Paul den Zufall. "Das glaube ich jetzt eher nicht", bemerkt Georg trocken, als er eine Käsereibe aus dem Geschenkpapier befreit. Die Charaktere der Komödie "Ganze Kerle" von der Kanadierin Kerry Renard sind einzigartig und lebensnah gezeichnet. Jeder der vier Paketzusteller trägt sein eigenes Päckchen seelischen Ballasts mit sich. Während Paul an Weihnachten von seiner Freundin verlassen wird, die er "im Affekt geheiratet hat", traut sich der begriffsstutzige Siggi immer noch nicht, bei seiner Schwester auszuziehen und leidet zudem an jeder erdenklichen Allergie.
Die Komik des Stücks liegt jedoch nicht nur in den Alltagsgesprächen und in der Verschiedenheit der vier Persönlichkeiten, sie wird zudem durch das Hauptanliegen der Paketzusteller hervorgerufen: Nachdem Siggi von der Erkrankung der Tochter ihres schmierigen, ekelhaften Chefs erfährt, kommt die Idee auf, deren Leben mit ausreichend Geld für die teure Therapie zu retten. Dieses Geld soll ausgerechnet durch eine große Travestieshow eingenommen werden und damit beginnt der eigentliche Witz der Handlung. Lediglich Manuel hat als Tänzer einer Schwulenbar bereits ein wenig Körpergefühl, während die anderen drei Laien eher der Kategorie Bewegungslegastheniker zuzuordnen sind.
Stolz zieht Georg seine Pumps aus dem Rucksack. "Du kannst in den Dingern laufen", fragt Paul entgeistert. "Naja, laufen würde ich es noch nicht nennen", antwortet dieser. Tatsächlich gleicht Georgs erster Lauf eher einem Seiltanz, wackelnd und zappelnd balanciert er auf und ab: "Gibt's die auch mit Stützrädern" und "kann ich jetzt", fragt Siggi, der bereits in den Startlöchern steht, die Kniestrümpfe münden in schwarze Lackpumps, das grüne Kleid wird durch die blonde Langhaarperücke vollendet. "I wanna be loved by you, just you, I wanna be kissed by you", tönt aus dem Lautsprecher, während Siggi das Publikum als Marilyn Monroe auf komische Weise verführt.
Die heimlichen Proben der vier Paketzusteller in der Lagerhalle des Paketdienstleisters halten einige Witze bereit, sodass bei der Premiere am vergangenen Samstag im Germeringer Roßstall herzhaft gelacht werden konnte. Die Mischung aus Situationskomik, witzigen Dialogen und dem Slapstick der Tanzeinlagen bringen den Zuschauer immer wieder auf abwechslungsreiche Weise zum Schmunzeln.
Die vier "Dancingqueens" geben ihr Bestes und werden schon bald von Siggis Schwester Elly trainiert. Sogar der etwas schwerfällige Georg macht Fortschritte und mit der Zeit identifizieren sich die vier Männer immer mehr mit ihrer Rolle als Transvestiten der "Crazy Horse Schnell Girls". "Meine Schuhe drücken total! Davon bekomme ich bestimmt Hühneraugen", beklagt sich Paul in seinem blauen Kleid nach einer Probe. "Ich habe die passenden Pflaster dabei", ruft Georg begeistert. Es ist unter anderem dieses immer stärker werdende frauentypische Verhalten, das dem Stück seine Komik verleiht. Der Plan der vier Männer scheint aufzugehen und so können sie bald vor ausverkauftem Haus auftreten. Als sie dann jedoch von ihrem spießigen Chef bei den Proben erwischt werden, scheint alles umsonst gewesen zu sein. "Als Sie uns vorhin gesehen haben, was haben Sie da gedacht?", fragt Siggi den verstörten Chef. "Das wollen Sie nicht wissen", entgegnet dieser. "Na gut, ich habe mich gefragt, warum ausgerechnet bei mir die schwulen Paketboten arbeiten müssen. Es gibt doch auch noch DHL und UPS."
Der Witz kommt selbst in der Krise nicht zu kurz und die Handlung ist trotz ihrer Einfachheit nicht vorhersehbar. So hält sie gegen Ende eine unerwartete Wendung für die Zuschauer bereit und bleibt bis zum Schluss kurzweilig und mitreißend. Gerade die amüsante Musik und das große Finale entlassen den Zuschauer am Ende mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Insgesamt ist die Komödie zum 30-jährigen Jubiläum des Roßstalls sehr gelungen und einen Besuch wert. Dieser ist an den weiteren acht Spielterminen im Oktober und November möglich.