Germering:Tiefe im Leichten

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Machtstrukturen und gesellschaftliche Konventionen spielen eine wichtige Rolle in Lehárs Operette "Land des Lächelns". (Foto: Johannes Simon)

In der Stadthalle Germering zeigen Sänger und Musiker vom Wiener Thalia-Theater und dem Opernorchester aus Liberec eine überzeugende Aufführung von Franz Lehárs Operette "Land des Lächelns"

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Die vielleicht berühmteste Arie der Operettengeschichte lautet: "Dein ist mein ganzes Herz, wo du nicht bist, kann ich nicht sein." Einst gesungen von Richard Tauber und dem legendären Fritz Wunderlich mit seiner besonders berührenden Interpretation. Der deutsche Tenor Michael Kurz, der den Prinzen Sou-Chang in Franz Lehárs Operette "Das Land des Lächelns" gab, sang die Liebeserklärung in der Germeringer Stadthalle handwerklich gut und durchaus ergreifend. Das Wiener Thalia-Theater bot gemeinsam mit dem Orchester des Opernhauses aus dem tschechischen Liberec einen sehr vergnüglichen Auftritt. Nach einer nur einstündigen Pause standen alle Akteure zur zweiten Veranstaltung schon wieder auf der Bühne.

In der Regel hat eine Operette ein Happy End. "Das Land des Lächelns" hat keines. Lisa, die Tochter des Grafen Lichtenfels, hat sich in Wien in den Prinzen Sou-Chong verliebt, einen chinesischen Diplomaten. Doch kaum haben sich Lisa und Sou-Chong ihre Liebe erklärt, muss der Prinz nach China zurückkehren, um das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Lisa schlägt alle Warnungen in den Wind und folgt ihm. Doch als Ehefrau in Peking, im Jahr 1912, ist sie bald eine Gefangene höfischer Zeremonien. Fassungslos muss sie erleben, dass ihr Mann sich der Hofetikette nicht entziehen kann. Sein Onkel Tschang verheiratet ihn mit vier weiteren Frauen. Schwägerin Mi ist ihr einziger Trost - und der einst verschmähte Jugendfreund Gustl (Thomas Malik) erscheint als österreichischer Militärattaché als möglicher Retter. Gustl verliebt sich in Mi. Aber angesichts der höfischen Machtstrukturen gibt er der Romantik keine Chancen. Er will der streng bewachten Lisa zur Flucht verhelfen. Sou-Chong muss einsehen, dass er Lisa längst verloren hat, und so lässt er sie schließlich in die alte Heimat ziehen - mit dem Lächeln im Gesicht, das er zu Anfang des Stückes beklagt hat: "Doch wie's da drin aussieht, geht niemand' was an."

Diese zwischen Wien und Peking angesiedelte Operette bietet Konfliktstoff jenseits von genretypischen privaten Verstrickungen. Es geht um gesellschaftspolitische Machtstrukturen, die sich verhängnisvoll auf das Leben von Liebenden auswirken. "Ich habe gar nicht gewusst, dass Operette so viel Tiefgang haben kann", meinte eine Zuschauerin in der Pause überrascht. Diese Tiefe im Leichten entspricht nicht dem üblichen Operetten-Klischee. Lehárs "Land des Lächelns" hatte zunächst nur mäßigen Erfolg. Erst, 1929, mehrfach umgearbeitet von Librettisten und dem Komponisten, trat das ungewöhnliche Werk seinen Siegeszug durch die Theaterwelt an. Mit der Neubearbeitung wurden auch die Autoren Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda betraut. Löhner-Beda war es, dessen Feder schließlich der Text der berühmten Herzens-Liebesarie entsprang.

Die Hauptprotagonisten, die gebürtigen Pfälzer Frauke Schäfer und Michael Kurz, sind sehr erfahrene Sänger. Schäfer kann sich auf eine intonatorisch makellose, modulationsfähige und höhensichere Sopranstimme verlassen. Kurz setzt als Tenor die Vorgaben seiner Rolle auch stimmlich überzeugend um: das Hin- und Hergerissensein zwischen Liebe und Leidenschaft einerseits und der seiner Stellung geschuldeten Gefühlsunterdrückung andererseits. Die lieblich-charmante Mi, gespielt von der 31-jährigen mehrfach ausgezeichneten österreichischen Sopranistin Elisabeth Pratscher, verleiht der Aufführung zusätzlichen stimmlichen Glanz. Die Inszenierung von Rudolf Pfister, der selbst auch als witziger Obereunuch des Harems mit Wiener Akzent auftritt, beeindruckt durch eine saubere Dialogregie. Das Bühnenbild samt Ausstattung - mal als Wiener Salon mit Kronleuchter, mal chinesisch mit riesigen gemalten Drachen auf beiden Seiten und einem Gong wie ein allsehendes Auge - ist originell. Unter der souveränen musikalischen Leitung von Martin Doubravsky erzeugt das tschechische Orchester gute Silvesterstimmung. Drei Dutzend Akteure aus Wien und Liberec sind am Gelingen der Doppelveranstaltung beteiligt gewesen. Ein Lob auch der Stadthalle, die seit vielen Jahren das Risiko einer solch aufwendigen und kostspieligen Produktion am Jahresende eingeht. Trotz ambitionierter Eintrittspreise zwischen 43 und 49 Euro gibt ihr der Erfolg Recht.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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