Germering:Seelsorger am Telefon

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Besondere Prozession: An Fronleichnam zieht Pfarrer Andreas Jaster ohne die Gläubigen durch Unterpfaffenhofen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Pfarrer Andreas Jaster aus Germering hat neue Formen finden müssen, um mit den Gläubigen in Kontakt bleiben zu können

Von Amelie Sittenauer, Germering

Wenn er den Hörer abnimmt, erkennt Pfarrer Andreas Christian Jaster mittlerweile viele Menschen an der Stimme. Weil er die Menschen in seiner Gemeinde wegen der Pandemieregeln nicht mehr persönlich sehen konnte, begann der Pfarrer der katholischen Stadtkirche Germering im Frühjahr zu telefonieren. Viel zu telefonieren. Auch während der jüngsten Corona-Beschränkungen setzt er das fort. "Ich gönne mir die Zeit. Es ist noch immer so gewesen, dass man, wenn man jemandem eine Freude gemacht hat, am Ende genauso beschenkt war. Es war eine sehr intensive Erfahrung", erzählt er. Im Telefonat mit Gläubigen beten sie zusammen, ein "Vater Unser", ein "Gegrüßet seist du Maria". Einige Worte des Zuspruchs werden gewechselt. Heute weiß Jaster vor allem wieder diese kleinen Gesten zu schätzen.

Vieles hat sich seit dem Ausbruch des Coronavirus auch für die katholische Stadtkirche Germering verändert. Neue Wege mussten gefunden werden, um als Seelsorger für die Gemeinde da zu sein, als Priester Gottesdienste zu feiern. Immerhin seien Kontakt und Begegnung das Kerngeschäft der Kirche, meint Jaster. Anfangs wurden Gottesdienste online aus der Alten Martinskirche gesendet, als sich die Situation im Sommer wieder entspannt hatte, wurde zu analogen Formen zurückgekehrt. In Videokonferenzen wurden Bibelkreise angeboten. Mit Kindern wurden draußen Segensfische gelegt. "Die Diktion war immer, alle zusammenzubringen, zu einer riesengroßen, lebendigen Gemeinde. Genau diese Lebendigkeit war aber nun plötzlich bedrohlich. Dann mussten wir es eben anders machen."

Anders hat es Jaster auch an Fronleichnam gemacht. Statt Kirchengemeinde und Prozession zog er "allein mit dem Heiland", nur begleitet von Mesner Joseph Schneider und Kirchenmusikerin Sul Bi Yi durch die Straßen von Unterpfaffenhofen. Unter den Rahmenbedingungen, die möglich waren, wollte er an den Inhalten des Festes und der Tradition festhalten. "Das, was wir vermissen, bewusst und sensibel wahrzunehmen und in der Begegnung anzunehmen. Auf dem Fundament dieses Glaubens zu stehen, das war ein Geschenk." Für den Pfarrer kam zudem die menschliche Komponente. Seit 17 Jahren ist er schon der katholische Pfarrer in Germering und Unterpfaffenhofen, er weiß wer wo wohnt, er kennt die Geschichten hinter den Gesichtern, die von den Hofeinfahrten und Fenstern am Wegesrand zusahen.

In dieser Krise haben Institutionen, wie die Kirche wieder einen starken Bedeutungszuwachs erfahren, hat Jaster beobachtet. "Weil sie etwas Geschehenes deuten können. Weil sie, das was passiert, im Lichte des Glaubens deuten können." Viele Menschen seien mit der Situation überfordert gewesen. Hinzu komme die Einsamkeit. "Den Leuten eine Hilfestellung zu geben, die Frage nach dem Sinn, dem Warum zu beantworten, dafür war die Kirche als Institution schon immer wichtig und sehr gefragt." Seinem Eindruck nach konnten viele Menschen so, auf dem Fundament ihres Glaubens, durch die Krise kommen.

Andererseits gibt es auch Gläubige, die auch durch den Glauben keinen Weg fanden, mit der Krise umzugehen. "Es gab Leute, die jetzt völlig aus der Spur sind, die mich und die Stadtkirche beschimpft haben. Insgesamt habe ich einfach den Eindruck, dass in Krisenzeiten die Leute in ihren Charaktereigenschaften stärker geprägt werden." Die Verantwortung, für seine Pfarrgemeinde die richtigen Entscheidungen zu treffen, auch wenn es unliebsame sind, ist ihm nahe gegangen. Teile der Gesellschaft, die Maßnahmen der Regierung ablehnen oder gar die Existenz des Coronavirus an sich anzweifeln, finden sich auch in der Kirche. Auch im kirchlichen Milieu hätten manche Menschen ihren Gedankenhorizont nahe bei AfD, "Reichsbürgern" oder Querdenkern, so Jaster. "Da wird mir manchmal Angst und Bange, mit was für Schäfchen man hier Weideplätze sucht", gesteht er ein. In dieser Extremsituation seien Diskussionen noch einmal eine ganz andere Herausforderung. "Das geht an die Substanz. Ich bin schon einfach geschafft."

Auch jetzt für Weihnachten ist die Abwägung für ihn nicht leicht. Die Abwägung zwischen Infektionsschutz und tröstender Glaubensgemeinschaft, zwischen den vielen Komponenten der Gesundheit - den körperlichen, den seelischen, den sozialen. Gibt es jedoch Hygienekonzepte und verantwortliches Handeln, befürwortet der Germeringer Pfarrer das Feiern von Gottesdiensten an Weihnachten. "Gott ist Mensch geworden. Als kleines hilfloses Kind in einem Stall, das gefüttert, umsorgt, geliebt werden muss." Anders sei das bei uns Menschen auch nicht. Wenn ein Mensch nicht die Begegnung, den Kontakt zu anderen habe, dann sei er gefangen in seiner Einsamkeit. Was die konkrete Umsetzung der Gottesdienste angeht, erwartet er sich aber auch von der katholischen Kirche mehr Flexibilität. Ob der Gottesdienst in der Nacht oder am späten Abend stattfindet, sei nicht so wichtig, sagt Jaster.

"Das Leben im Licht einer tieferen Wahrheit zu deuten." Das hat Jaster im Corona-Jahr vor allem gelernt, und "wie ich eine Videokonferenz einrichten kann, um mit anderen zu kommunizieren", fügt er schmunzelnd hinzu. "Der Glaube ist eine Lebenshilfe. Nicht in einer plakativen Weise, sondern ganz bodenständig, ganz real." Das Bodenständige, das Stille, das Bescheidene und Einfache ist es, was auch in der Arbeit des Priesters dieses Jahr besonders geprägt hat. Die Bedeutung der Öffentlichkeit hingegen hat sich relativiert. "Die kleinen Gesten, das Telefongespräch, der Brief, die sind zwar nicht so wirkmächtig, so pompös wie eine große Feier, aber sie sind das Wesentliche", meint Jaster. Und in der Hinsicht hat er in den vergangenen Monaten ein sehr schönes Arbeiten als Pfarrer der Stadtkirche gehabt: "Es ist nicht mehr dauernd darum gegangen, wer ist die Kirche, wer bin ich, ständig um sich selbst kreisend. Jetzt ging es immer erst einmal um diese Frau, jene familiäre Situation, die Trauer um einen Verstorbenen dort. Das war und ist eine schöne Erfahrung."

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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