Germering:Schöner Trubel

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Jubilarin Franziska Weigl (Mitte) im Kreise ihrer Familie und politischen Repräsentanten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Franziska Weigl wird 100

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Irgendwann gegen 18 Uhr hebt Franziska Weigl grüßend die Hand und verlässt das Wohnzimmer. Sie wirkt leicht erschöpft und möchte sich im Schlafzimmer etwas ausruhen. Der Rummel an ihrem 100. Geburtstag war enorm gewesen. Vormittags hatte es schon ein Geburtstagsfrühstück mit Freunden und Nachbarn gegeben. 14 Besucher waren da gewesen. Dann fuhr sie mit Tochter Franziska und der Familie von Enkel Michael Neumann zum zweiten Enkel Alexander Neumann nach Alling. Als Franziska Weigl dort eintraf, ließ Enkel Alexander samt Urenkeln 100 Luftballons aus dem ersten Stock fallen. Gegen halb sechs Uhr nachmittags sitzt die Jubilarin jetzt wieder im Wohnzimmer von Tochter Franziska Neumann in ihrem Sessel. Oberbürgermeister Andreas Haas ist gekommen und überbringt die Glückwünsche der Stadt.

Haas war erst kürzlich beim 107. Geburtstag einer Germeringerin. "Ab Hundert komme ich jährlich", kündigt er an. Ist Germering die Stadt der Hundertjährigen? Zurzeit leben dort, da hat Haas extra nachgeschaut, neun Hundertjährige. "Es sind acht Damen und ein Mann", klärt er auf. Die Fotoaufstellung mit der Familie von Franziska Weigl, darunter die zwei- und fünfjährigen Urenkel Toni und Felix, dauerte einige Zeit. Jetzt lachen alle im Wohnzimmer in die blitzenden Kameras. Franziska Weigl ist 1915, also während des Ersten Weltkriegs, in München im Schlachthofviertel geboren. Sie machte eine Schneiderlehre und verliebte sich dort in ihren späteren Mann Josef, den sie 1936 heiratete. Josef Weigl, der später bei der Bahn arbeitete, verstarb bereits 1978 mit 65 Jahren.

Tochter Franziska Neumann erläuterte den Lebenslauf ihrer Mutter. "Langt alle hin", forderte die Hundertjährige zwischendurch die Gäste auf, von den Häppchen doch auch zu nehmen. Ihre Mutter hört etwas schwer, "ist aber sonst sehr fit", sagt die Tochter. "Sie war auch immer eine selbständige Frau gewesen." Im Zweiten Weltkrieg wurden die Weigls in München, die in Solln in einer Bahnwohnung lebten, völlig ausgebombt. Viele Jahre wohnte die Mutter mit der Familie in Pullach. Sie hatte viel Spaß mit dem Club der Arbeiterwohlfahrt, dem "Awo-Club", mit dem sie Wanderungen und Busfahrten unternahm. Tochter Franziska Neumann zog schon vor 44 Jahren nach Unterpfaffenhofen. Als die Mutter 96 Jahre alt wurde, kam sie von Pullach zur Tochter nach Germering. Besonders gut in Erinnerung bleibt ein gemeinsamer Urlaub in Italien. Die gesamte Familie mit Tochter, Enkel und Urenkel fuhr an die Adria. Dort schwamm Franziska Weigl mit 97 Jahren im pinken Badeanzug und mit Glitzerhut im Meer. Zuhause spielt sie am liebsten Karten mit ihrer Tochter. Sie spielt gern Canasta, aber Weigls Lieblingsspiel ist Skip-Bo. Da gilt es immerhin 144 verschiedene Karten zu bewältigen. Jeder Spieler erhält einen Stapel von 30 Spielkarten. Wer zuerst seinen Stapel abgelegt hat, gewinnt. Sehr oft auch die hundertjährige Franziska Weigl.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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