Germering:Reime mit und ohne Beat

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Martin Pollock, Veranstalter und Dichter in einem. (Foto: Matthias Döring)

Die "Wortfamilie" gestaltet in der Cordobar einen tiefgründigen Abend

Von Emil Kafitz, Germering

Auf Romans T-Shirt steht: "You're awesome, be awesome, stay awesome!" Der 38-Jährige tänzelt mit Trompete in der Hand über die Bühne der Cordobar in Germering. Dann setzt er das Instrument an die Lippen und spielt eine jazzige Tonfolge, die den Beatboxrhythmus des Bandkollegen Timo ergänzt. Als dann noch Rapper Perquist mit seinem Part einsetzt, ist die Wirkung des Trios "Motiv" perfekt.

Romans Künstlername lautet Dr. Love, seine Doktorarbeit in Germanistik hatte die Liebe als Thema. Neben seinem Beruf als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache spielt er in verschiedenen Formationen mit DJs und Rappern Trompete. "Es gibt bestimmt viele Leute, die besser spielen als ich. Aber wenige sind so aktiv."

Für seinen Auftritt in der Cordobar gibt es zweierlei Gründe. Zum einen lud die "Wortfamilie", ein Germeringer Kollektiv von Dichtern und Autoren, zu einem Abend mit Poetry und Musik im Stil einer bunten Bühne ein. Zum anderen feiert Martin Pollock, ebenfalls Wortfamilienmitglied, seinen 43. Geburtstag. Pollock gestaltet seit Jahren das kulturelle Leben in der Region mit, nicht zuletzt in seiner Funktion als Sozialpädagoge am Abenteuerspielplatz in Germering. Er ist Veranstalter und Dichter, rappt unter seinem Pseudonym "Rhymemantiker" aber auch gerne mal auf ausgefallene Beats mit exotischen Klangelementen. Das Geburtstagskind leitet den Abend ein und moderiert. "Schnackseln ist Bumsen, nur in Lederhosen" postuliert er in seinen "Kalendersprüchen für Schlafzimmeratmosphäre". In "Greta und Hetzel" thematisiert er dagegen den Klimawandel, in einem anderen Text zählt er Filmtitel von A bis Z auf und versucht anhand der Reaktionen des Publikums, Lieblingsfilme zu identifizieren.

Die Germeringer Poetin Sophie Schumacher setzt sich daraufhin ebenso kritisch wie zynisch mit der Flüchtlingskrise und insbesondere den Ressentiments vieler Menschen gegenüber Geflüchteten auseinander. Dabei verdeutlicht sie zugleich ihre Sicht auf die deutsche Gesellschaft: "Ich bin doch selbst nicht integriert, eher so mäßig assimiliert." Wortfamilienmitglied und Hörbuchsprecher Gerhard Salz trägt dagegen Gedichte in klassischer Form vor. Besonders berührend war hierbei eines von James Krüss, das den Namen "Der Garten des Herrn Ming" trägt. Herr Ming, der Gärtner, liebt eine Rose, diese jedoch einen Goldfisch, der wiederum ein Huhn liebt. Das Huhn liebt den Gärtner und alle sind "traurig und verliebt in diesem kleinen Garten, von dem es viele gibt". Benedikt Hakel schwelgt unter seinem Künstlernamen Ernst Froh in Erinnerungen, als er die ersten Gedichte seines künstlerischen Schaffens zum Besten gibt. Mit diesen trat er 2004 bei einem Poetry Slam in der Cordobar zum ersten Mal öffentlich auf. Selbst in diesen ersten Gehversuchen wird seine außergewöhnliche Wortgewandtheit und Kreativität deutlich.

Den Höhepunkt stellt die Band "Motiv" dar. Nicht nur überzeugt Rapper Perquist, der eigentlich Daniel heißt, mit tiefsinnigen und durchdachten Texten, das Trio sorgt außerdem für gute Stimmung und geschwungene Tanzbeine. Beatboxer Timo, auch Trash genannt, produziert mit seinem Mund Geräusche, die wie von einem Synthesizer eingespielt klingen. Bei anderen Songs spielt er die Beats, die alle von ihm selbst stammen, elektronisch ab und singt in den Refrains mit. Dr. Love ist komplett in seinem Element, feuert die Töne mit viel Freude am Musizieren ab und lächelt und tanzt, wenn er gerade nicht spielt. Der Kopf der Band, Perquist, macht seit mittlerweile 15 Jahren HipHop-Musik und lässt die Zuhörer seine Erfahrung in jedem Satz spüren. Mit Tempo und Musikalität gleitet er über die Beats und verbindet in seinen Texten Poesie mit Intellekt. "Kennst du die Früchte des Lebens, die nicht auf den Bäumen wachsen, sondern die wir meist in uns tragen, aber oft leider nicht fassen?" Drei Künstler stehen auf der Bühne, die ihre Kunst ausgezeichnet beherrschen und sich gegenseitig ergänzen, sodass ein großes Ganzes entsteht. In einem Lied lässt Perquist das Publikum im Chor rufen: "Was ist das Motiv?" Viele werden sich gedacht haben, dass diese Band live zu erleben Motiv genug war, um in die Cordobar zu kommen.

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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