Germering:Priester fürs Volk

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Für einen modernen Katholizismus wirbt Pfarrer Rainer Maria Schießler aus München. (Foto: Imago-Olching/St.v.Fürstenberg/oh)

Rainer Schießler in Germering

Von Ariane Lindenbach, Germering

Rainer Maria Schießler ist ein Münchner Pfarrer, den man nicht lang vorstellen muss. Wer mit seinem Namen nichts anzufangen weiß, bei dem klingelt es spätestens, wenn er ein paar Stichworte hört: Rebell, volle Gottesdienste, kellnert auf der Wiesn, arbeitet im Schwulenviertel. Schießler ist also ziemlich bekannt. Da überraschte es nicht, dass zu seiner als Lesung angekündigten Veranstaltung in der Stadtbücherei in Germering, die Karten schon zwei Wochen im Voraus bis auf den letzten der hundert Plätze ausverkauft waren. "Wir werden überschüttet mit Anfragen", berichtete Christine Förster-Gruber von der Bücherei im Vorfeld. Dass der unkonventionelle katholische Priester am Samstag dann rund zweieinhalb Stunden über Gott und die Welt und seine Erfahrungen mit Germering - etwa von seiner ersten Liebe - fabuliert und nur ein paar Minuten aus seinem Buch "Himmel Herrgott Sakrament" vorliest, stört keinen der Zuhörer.

Die obersten beiden Knöpfe des weißen Hemdes sind offen, die Ärmel hochgekrempelt, am Stuhl hängt eine schwarze Lederjacke: so sitzt der in Laim aufgewachsene Schießler auf der kleinen Büchereibühne. Entspannt sitzt er auf einem Stuhl hinter einem kleinen runden Tisch. Und beginnt von seinen Erinnerungen an Germering zu erzählen. Die erste machte er, als er noch in die Grundschule ging. Damals, Schießler ist Jahrgang 1960, fuhren die Münchner Kinder im Rahmen des Ferienprogramms dorthin und verbrachten ihre Freizeit "auf dem Land". Seine prägnantesten Erinnerungen: Maiskolben essen bis zum Erbrechen, herumtoben im Freien und ein im Nachhinein betrachtet traumatisches Ereignis. Wie der Geistliche den überwiegend älteren Zuhörern berichtet, war er damals wenig folgsam. Als Bestrafung motivierte die Erzieherin alle anderen Kinder, ihn eine Minute lang auszulachen. Rückwirkend betrachtet, "war das Missbrauch".

Und schon ist der Pfarrer von Sankt Maximilian mitten in seiner Kritik am System "katholische Kirche". Schießler kritisiert ausführlich, dass es trotz Priestermangels und Kirchenaustritten keine Erneuerung, keine Anpassung seitens der katholischen Kirche an die aktuellen Gegebenheiten gibt. "Wir beklagen, dass keiner mehr den Beruf machen will", sagt er zum Beispiel, "aber wir öffnen nicht den Weg ins Priestertum". Immer wieder führt er aus, was er damit meint: Abschaffung des Zölibats und Öffnung des Priestertums für Frauen. An manchen Stellen seiner teils leidenschaftlichen Plädoyers reagieren die Zuhörer mit beifälligem Gemurmel.

Schießler springt von einem Thema zum nächsten, um später wieder zum Beginn zurückzukehren. Man erfährt, dass seine erste Liebe, damals mit 13, in Germering lebte. Dass er dort in Don Bosco seine Nachprimiz feierte und dass er in Germering den inzwischen verstorbenen Pfarrer Josef Ernst Ilias kennenlernte, der ihn und seine Ansichten nachhaltig prägte. Ilias sei menschenfreundlich, angenehm, ehrlich gewesen - und ebenfalls begeisterter Wiesn-Besucher. Sein Tod sei ihm sehr nahe gegangen, erzählt Schießler so inbrünstig, dass es einem selbst schon nahe geht.

Pfarrer Ilias ist nicht der einzige Geistliche, der Schießler stark beeinflusste. Und so berichtet er in Germering noch von einigen anderen Weggefährten. Dazwischen fließt immer wieder Kritik an der katholischen Kirche. "Ich kann mit diesen hochgestochenen theologischen Spitzfindigkeiten nichts anfangen", sagt er zur jüngsten Ablehnung eines gemeinsamen Abendmahls von evangelischen und katholischen Christen durch Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. In der Realität praktiziere er längst die Ökumene, sagt Schießler, auf seine ökumenischen Trauungen anspielend.

In den letzten 15 Minuten liest er einige Passagen aus seinem Buch, "der Halbbiografie". Bei den Lesungen habe er die Erfahrung gemacht, dass die meisten Gäste das Buch schon kennen und dass sie lieber "die Person dahinter" kennenlernen möchten, erklärt er.

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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