Germering:Passionsmusik mal anders

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Die Sänger der katholischen Pfarrkirche Sankt Cäcilia präsentieren Johannespassion von Alessandro Scarlatti (Foto: Reger)

Konzert in Sankt Cäcilia gelingt mit selten gehörten Werken

Von KLAUS MOHR, Germering

Die Programme von Passionskonzerten werden dominiert von den beiden großen Vertonungen der Leidensgeschichte Jesu aus der Feder von Johann Sebastian Bach. Für viele Musikfreunde gehört der Besuch eines Konzerts mit einem dieser Werke zum unverzichtbaren Bestandteil des Jahresablaufs, vergleichbar nur mit dem Bachschen "Weihnachts-Oratorium" zur adventlichen Festzeit. Da ist es ein erfreuliches Zeichen, wenn andere, weit weniger bekannte Kompositionen angekündigt werden, weil sie fast automatisch einen anderen Blick auf das gleiche Geschehen ermöglichen. Die um 1700 entstandene "Johannespassion" von Alessandro Scarlatti hat einen lateinischen Text und fußt auf der katholischen Liturgie seiner Zeit. Bachs aus lutherischem Geist heraus entstandene "Johannespassion" ist dagegen über einhundert Jahre jünger und verwendet die deutsche Sprache. Unter der Leitung des Kirchenmusikers der katholischen Pfarrkirche Sankt Cäcilia, Michael Leyk, erklang nun also die Passion Scarlattis. Ergänzt wurde das Programm um das "Stabat Mater" von Giovanni Battista Pergolesi. Als Solisten waren Anna Lena Elbert (Sopran), Yosemeh Adjej (Altus, Testo), Freya Apffelstaedt (Alt, Pilatus) und Tom Amir (Bass) zu hören.

Scarlattis Johannespassion folgt einer klaren kompositorischen Linie: Dem Part des Evangelisten, hier Testo genannt, kommt eine absolut dominierende Rolle zu. Sein Vortrag des Bibeltextes, der den weitaus größten Teil des Werks einnimmt, wird stets vom Basso continuo begleitet. Der Chor vertritt das Volk und hat jeweils nur sehr kurze Auftritte, die vom Orchester unterstützt werden. Aus den handelnden Personen sticht Jesus, begleitet vom Orchester, hervor. In der fast einstündigen Aufführung war der Text für die Zuhörer eine gute Orientierung. Yosemeh Adjej brillierte technisch wie musikalisch in seiner Rolle, und dennoch wurde die Zeit für das Publikum lang, weil dem Hörer im 21. Jahrhundert die zahlreichen Ausdrucksebenen der Affekte nicht vertraut sind. Abwechslung fand hier somit auf einer sehr abgehobenen Ebene statt. Die Choreinwürfe wiederum waren jeweils so kurz, dass für die Sänger nur wenige Möglichkeiten gegeben waren, sich klanglich zu entfalten. Tom Amir legte mit seiner flexiblen Tongebung in die lyrischen Abschnitte seiner Partie viel Samt, so dass die Güte und Duldsamkeit der Person quasi greifbar wurde.

Das Stabat Mater betrachtet das Passionsgeschehen aus der Perspektive der Gottesmutter Maria. Pergolesis 1736 entstandenes Stabat Mater wurde später von Bach bearbeitet. Die Intensität der Gefühle ist in den zahlreichen Spannungsklängen, die sich organisch lösen, gut nachvollziehbar und wurde vom Orchester auch sehr plastisch umgesetzt. Auf dieser Basis entfalteten sich die beiden Stimmen von Anna Lena Elbert und Yosemeh Adjej in geradezu beglückender Weise: Konzertante Elemente mit hohem virtuosem Anspruch standen neben zu Bögen geformten, einfühlsamen Kantilenen. Die Affekte dieses Werks erreichten die Hörer als zu Klang gewordene Emotionen sehr unmittelbar.

Treffend hatte Michael Leyk zu Beginn kurz in die Stilistik und die historischen Zusammenhänge der Johannespassion von Scarlatti eingeführt. Sein Wunsch an die Zuhörer nach "viel Spaß beim Konzert" offenbarte allerdings wenig geistliche Tiefe, ohne die solche Werke nicht zu verstehen sind. Leider blieben im Konzert viele Reihen leer, weil die Neugier des Publikums vielleicht nicht so ausgeprägt war, wie es der Musik und den Künstlern gegenüber angebracht gewesen wäre.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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