Germering:Machtlose Kommunalpolitiker

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Bei einer Versammlung des Bayerischen Gemeindetags wird über die Flüchtlingskrise und neue Wohnungsbaukonzepte gesprochen. Die Bürgermeister aber vermissen praktikable Sofortlösungen

Von Heike A. Batzer, Germering

Die Bürgermeister fordern mehr und schnellere Unterstützung für Flüchtlinge. "Wir brauchen die praktische Umsetzbarkeit jetzt vor Ort", betonte Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion des Bezirksverbands des Bayerischen Gemeindetags in der Germeringer Stadthalle zum Thema Wohnungsnotstand. Einig waren sich die etwa 170 Vertreter der bayerischen Kommunen, dass der Zuzug von Flüchtlingen begrenzt werden müsse.

Der Bayerische Gemeindetag als Interessensvertreter der Kommunen hatte seine Versammlung mit der Frage "Wohnungsnotstand: Zuzug, Asyl und Flüchtlinge - explodiert Oberbayern?" überschrieben. In zweieinhalb Stunden mit Grußworten, Statements und Podiumsdiskussion war viel von Konzepten, aber wenig von sofortigen Lösungen die Rede, was nicht nur Andreas Haas auf dem Podium aufstieß. "Uns hilft nicht eine Diskussion über die Stellplatzsatzung oder die Art und Weise, wie wir bauen. Wir müssen jetzt was hinkriegen!", forderte der Germeringer Oberbürgermeister und konnte sich des Beifalls seiner Amtskollegen sicher sein. Die Diskussion über Konzepte und Baustandards würde vom Problem ablenken, das in den Gemeinden herrsche, so Haas weiter. Die Zuweisung von Flüchtlingen in Turnhallen nannte Haas "bedenklich, wenn es gleichzeitig Bundesliegenschaften gibt, die frei sind". Erst am Montag war zusätzlich zu den bereits mit Asylbewerbern belegten kreiseigenen Schulturnhallen in Puchheim und Maisach auch die Dreifachhalle des Germeringer Max-Born-Gymnasiums belegt worden.

Albert Füracker, Staatssekretär im bayerischen Finanzministerium, stieß ins gleiche Horn: "Es kann nicht wahr sein, dass Bundesliegenschaften leer stehen. Man muss die Kasernen ertüchtigen." Auf Dauer mehr als eine Million Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen, sei "eine völlige Utopie", fuhr Füracker fort und forderte ein "politisches Signal, das zu stoppen". Man müsse den Zuzug von Flüchtlingen auf "ein integrationsfähiges Maß begrenzen", andernfalls würden die Integrationsbemühungen scheitern.

Denn den notwendigen Wohnraum zu schaffen, war zumindest im beliebten Ballungsraum München schon vor der Flüchtlingskrise ein Problem. Andreas Haas schilderte am Beispiel Germerings, dass den Städten neben Wohnungen auch die Flächen fehlten, auf denen sie Wohngebäude errichten könnten. Eine Umfrage des Gemeindetags unter den Kommunen hatte die selben Ergebnisse hervorgebracht. Die Hälfte der Kommunen hat demnach Bauland nur in begrenztem Maße zur Verfügung. Auch seien einer Ortsentwicklung häufig Grenzen durch Landschaftsschutzgebiete gesetzt und die Landwirte sähen derzeit keine Notwendigkeit, Grund und Boden zu verkaufen, erläuterte der Bezirksvorsitzende des Gemeindetags und Bürgermeister des Ortes Bernried am Starnberger See, Josef Steigenberger. Ähnlich hatte sich kürzlich im Kreisausschuss auch der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (CSU) geäußert. Nachverdichtung in den Orten freilich werde "die Gesichter unserer Ortschaften verändern", warnte Steigenberger. Und auch für den durch den Zuzug notwendigen Ausbau der Infrastruktur seien wiederum Flächen notwendig.

Ein gordischer Knoten, so scheint es. Wie also diesen auflösen? Staatssekretär Füracker verwies auf Millionensummen für ein staatliches und kommunales Wohnungsbauprogramm. Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk nannte integrierte Konzepte sowie Arbeitsplätze in der Region notwendig und plädierte dafür, sich von übertriebenen baulichen Standards oder Lärmschutzvorgaben zu lösen: "Wir müssen vom Maximieren weg gehen und uns auf Optimierung einlassen. Da dürfen dann auch mal Leitungen über Putz verlegt werden." Auch Helmut Schütz, Ministerialdirektor im bayerischen Innenministerium, wünschte sich "den Mut und die Bereitschaft, manche Standards für drei, vier Jahre auszusetzen. Wir sind da ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen."

Auch die Wirtschaft sehe sich in der Verantwortung, sagte Peter Kammerer, stellvertretender Geschäftsführer der IHK München und Oberbayern. Viele Flüchtlingen könnten in zwei, drei Jahren für den Arbeitsmarkt fitgemacht werden, meinte er optimistisch.

Die Bürgermeister freilich waren nicht zufrieden mit dem, was sie hörten. Denn wenn anerkannte Asylbewerber später keine Wohnung finden, dann sind sie obdachlos und die jeweiligen Kommunen für sie zuständig. Sepp Hartl, Bürgermeister aus Waakirchen, fühlte sich deshalb nicht genügend unterstützt: "Ich fahre mit leeren Taschen heim." Der "Kollege Haas" habe ihm total aus dem Herzen gesprochen. Der hatte noch gefordert: "Wir brauchen eine Perspektive als Kommunalpolitiker."

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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