Germering:Mit Heavy-Metal in die Einförmigkeit

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Theatergruppe des Spitzweg-Gymnasiums zeigt gelungene Inszenierung von "Jugend ohne Gott"

Von Emil Kafitz, Germering

Jugendliche laufen kreuz und quer über die Bühne, plan- und ziellos. Stroboskoplicht macht es unmöglich, sich auf eine einzelne Person zu konzentrieren. Zu einem treibenden Heavy-Metal-Beat wabert die Masse umher. Keine Individualität, nur Wummern und Bewegung. Noch ist Jessica Wildfeuer Teil der Menge. Aber schon bald wird sie sich aus dieser herauslösen und einen eigenständigen Charakter darstellen. Sie spielt die Hauptrolle im Stück "Jugend ohne Gott", das das Oberstufentheater des Carl-Spitzweg-Gymnasiums in Germering inszeniert.

Der Roman, auf dem das Stück basiert, wurde 1937 von Ödön von Horvath geschrieben. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges versucht ein Lehrer, seinen Überzeugungen treu zu bleiben. Und das in einer Zeit, in der das seiner Stellung gefährden kann, den Schülern ein humanistisches Weltbild zu vermitteln. In einer Zeit, in der große Teile der Jugend emotional verrohen, in der Verrat zur Normalität wird und Hass sogar zum Nationalstolz gehört. Es beginnt das "Zeitalter der Fische", wie es sein Kumpane "Cäsar", ein suspendierter Lehrer, ausdrückt. Denn Fische sind kalt und emotionslos und folgen ohne eigenen Willen dem Schwarm.

"Auch wenn die Lebensumstände des Stückes zeitlich und geistig weit von unserer heutigen Realität entfernt sind, konnten sich die Schüler gut mit der Thematik identifizieren", erklärt Petra Gewald, die Leiterin des Oberstufentheaters. "Der gesamte Schulkontext und die Beobachtung eines Lehrers, der in Bedrängnis gerät, ist für Schüler natürlich immer spannend. Und eine Verrohung von Teilen der Jugend erleben wir auch heute noch."

Dass es den Schülern ein Leichtes war, sich in die fiktiven Figuren aus den Dreißigerjahren einzuleben, merkt man den ganzen Abend über. So spielte Jessica Wildfeuer mit Leidenschaft den Lehrer im dreiteiligen Tweedanzug. Im Laufe des Stücks wird er in einen Mordfall innerhalb seiner Klasse verwickelt, suspendiert, korrumpiert und schließlich von seiner verstorbenen Mutter, die ihm als sein Gewissen erscheint, wieder auf den rechten Pfad gebracht. An seiner Seite weiß er den Freund "Cäsar", einen Idealisten mit Ecken und Kanten, gespielt von Undine Gwinner.

Auch bei den mit weißem Hemd uniformierten Schülern beweist Petra Gewald Gefühl in Sachen Rollenbesetzung. Gustav Butz als der sensible und Tagebuch führende Adam Zobel, Verena Herrmann als der nationalsozialistischer Otto Nix und Sabrina Wenzel als vernachlässigter, emotional abgestumpfter Wilhelm Tengelmann, sorgen für eine Dynamik in der Jungenklasse. Auch viele andere Schülerinnen mussten mit einer Männerrolle vorliebnehmen, mit nur zwei männlichen Mitgliedern in der Theatergruppe wäre das Stück sonst kaum zu bewältigen gewesen. "Ein viel größeres Problem waren aber die Begrifflichkeiten", so Petra Gewald. "In dem Stück wird oft das Wort "Neger" verwendet, es ist sogar der Spitzname des Lehrers. Für meine Schüler bedeutet das aber eine Grenzüberschreitung, die heutzutage nicht mehr akzeptabel ist."

Gegen Ende wird es dann melancholisch: "Jugend ohne Gott" ist das letzte Stück, das unter der Schulleitung von Georg Gebhard entstanden ist, der zum Halbjahr in Rente geht. Und es ist das letzte, das die Schüler der Q12 aufführen werden. "Da ist man schon vor der Aufführung eher traurig als aufgeregt", sagt Jessica Feuerbach, die auch beruflich einmal in Richtung Schauspiel gehen möchte. Schüler wie Sabrina Wenzel, die seit der fünften Klasse Teil der Theatergruppe gewesen sind, fühlten sich am zweiten Tag der Aufführung vielleicht ein wenig wie der Lehrer in der letzten Szene des Stückes. Mit gepacktem Koffer macht er sich durch die Zuschauerreihen davon, in Richtung Afrika, "der Neger geht zu den Negern". Ein letztes Mal blickt er zurück zu den Menschen, die er zurücklässt. Dann dreht er sich um und geht entschlossenen Schrittes Richtung Zukunft.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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