Germering:Kühles Casting

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Abstand halten auch auf der Bühne, heißt es in "Frühschicht bei Tiffany", dem ersten Stück im Roßstall-Theater nach sieben Monaten Zwangspause. (Foto: Günther Reger)

Roßstall-Theater prüft die Ensemblekompetenz

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Das Bühnenbild für die ausgefallene Premiere von "Frühschicht bei Tiffany" ist immer noch da. Seit dem Corona-Lockdown im März stehen die drei Balkone bereit, den Abstandsregeln vollumfänglich gerecht werdend. Mit einer "Welcome-Revue" hat das Germeringer Roßstall-Theater nach siebenmonatiger Pause sein Stammpublikum dafür warmlaufen lassen. Die geforderte Frischluftzufuhr lässt die 40 Besucher bei offener Tür lange Zeit frösteln, aber endlich ist wieder "Theater, Theater - der Vorhang geht auf".

Rosalia, die "Putzperle", die Einzige, die in der Theaterpause immer da gewesen ist, hat das Ensemble schon mal zur Casting-Show geladen. Die temperamentvolle Rosalia, bekannt aus der Komödie "Job Suey" vom Herbst 2019, das kann nicht anders sein, ist Regisseurin Cecilia Gagliardi. Die gebürtige Römerin geht auch in schwierigen Roßstall-Zeiten vorneweg. "Das Theater ist sauber, aber pleite", führt Rosalia ein. Das zwingt auch den arbeitslosen Intendanten Oliver Roßstager (Oliver Kübrich) wieder wie einst am Stadttheater Weilheim, sich als Souffleur zu verdingen und zu zeigen, wie man auch in dieser Funktion seine kleinen Triumphe feiert. Vergnügliche, sketchartige Vorsprech-Nummern wie einem Gretchenmonolog oder der "Ballade von der Weißwurst" wechseln sich ab mit Tiefgründigem. "La speranza è l'ultima a morire" - die Hoffnung stirbt zuletzt - schmettert Rosalia. Den "Panther" von Rainer Maria Rilke - auch gesungen vom Ensemble - hört man nach Lockdown oder Quarantäne mit neuer Beklommenheit. Anna Luna Richter, Sarah Müller und Katja-Lisa Engel sind wieder da. Neu hinzugekommen ist Eva Nagel.

Es darf wieder gespielt werden. Ob nicht mehr, nie mehr, oder noch lange nicht wieder so wie einst, darüber wird gerätselt. Fest steht nur: Es darf wieder gespielt werden. Endlich! Aber können die Profispieler überhaupt noch spielen, oder haben sie es mangels Übung verlernt? Und kann das Theater sich Gagen, Aufführungsrechte, Bühnenbilder, Gema-Gebühren und alles andere überhaupt noch leisten, wo doch in sieben Monaten viel Geld rausging, aber keines reinkam, und wo doch in dem sonst voll besetzten 100-Plätze-Saal auch jetzt nur 50 Menschen Platz nehmen dürfen? Gespielt wird wieder unter dem Diktat von Abstand - wie will man da all das erzielen, was Theater ausmacht: Nähe, Körperlichkeit, Heftigkeit, Entgrenzung? Rosalia und ihrem Ensemble gelingt das Unmögliche: Ein freudiges Wiedersehen von Ensemble und Publikum, vereint in riesiger Spiellaune und Theaterhunger. Da werden Herzen warm an diesem Abend, auch wenn das Publikum dicke Jacken trägt, um sich nicht zu erkälten.

Nun die Premiere am Freitag. Die romantische Komödie "Frühschicht" nicht Frühstück, "bei Tiffany" ist als "turbulente Dreiecks-Beziehungsgeschichte" angekündigt. Ein Wiedersehen gibt es mit den Darstellern Lisa Bales und Julian Brodacz. Für den verhinderten Manuel Grund ist kurzfristig Josua Ovari eingesprungen. Die kommenden Aufführungen sind am Samstag und Sonntag jeweils um 19.30 Uhr. (Kartenreservierung unter Telefon 089/841 47 74)

© SZ vom 12.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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