Germering:Klarheit und Transparenz

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Voll bis auf den letzten Platz ist die Kirche Sankt Cäcilia beim Abschiedskonzert von deren Kirchenmusiker Thomas Scherbel. (Foto: Günther Reger)

Gelungenes Weihnachtsoratorium in Germering

Von Klaus Mohr, Germering

Wenn Bachs "Weihnachtsoratorium" auf dem Konzertprogramm steht, dann sind die Plätze ausverkauft. Das war auch bei der Aufführung des Werks in Sankt Cäcilia der Fall, nur standen hier noch weitere Musikfreunde in der Hoffnung an, dass die eine oder andere reservierte, aber dann doch nicht abgeholte Karte zusätzlich verkauft werden kann. Dieser Andrang hatte seinen Grund sicher auch darin, dass Kirchenmusiker Thomas Scherbel mit diesem Konzert seinen Abschied feierte. Und so lag über der Aufführung eine ganz besondere Spannung, die auch die knapp siebzig Sänger der Chorgemeinschaft von Sankt Cäcilia erfasst hatte. Sie gaben wirklich alles, und so blieb es nicht beim großen Engagement, sondern es entstand eine hervorragende Leistung. Dazu trug auch das Barockorchester Nymphenburg bei, das in historisch informierter Spielweise musizierte, und dessen Blasinstrumente in barocker Bauart einen besonderen Zauber entfalteten. Als Solisten waren Miriam Clark (Sopran), Stephanie Hampl (Alt), Markus Zeitler (Tenor) und Timo Janzen (Bass) zu hören.

Thomas Scherbel legte schon im Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" ein ungewöhnlich rasches Tempo vor, das eine kurze Einschwingzeit brauchte, um auf festem Boden zu stehen. Dadurch gewann die Begeisterung für das Geschehen die Oberhand über den majestätischen Stolz, der sich aus den Impulsen von Pauken und Trompeten ergab. Der interpretatorische Sinn erschloss sich dann mit Einsatz des Chores: Geht man von einer Deklamation aus, die der normalen Syntax entspricht, dann müssen die Sechzehntelbewegungen der Streicher für einen organischen Sprachfluss eine ungeheure Vitalität entwickeln. Der Dirigent erreichte so Melodiebögen, die über die Vokale gebunden und nicht durch die Konsonanten zertrennt wurden.

Zu klanglichen Höhepunkten wurden alle Nummern, in denen die Holzbläser, allen voran die Oboen d'amore, zu Partnern von Vokalsolisten wurden. Die Alt-Arie "Bereite dich Zion" glückte durch das weiche Timbre bei der Sängerin und die deutliche Artikulation im Orchester, wobei Scherbel minutiös darauf achtete, dass der durchlaufende Puls an keiner Stelle durch Verzögerungen beeinträchtigt wurde. Auf dieser Basis überzeugte auch die Bass-Arie "Großer Herr", die vom Solisten mit Klarheit und einem gewissen Leuchten in der Stimme angegangen und vom Dirigenten mit fast militärischer Straffheit geführt wurde. Die Aufführung hatte eine Art sportlichen Ehrgeiz, den Spannungsbogen nie unterbrechen zu lassen. Leider erwiesen sich die Barocktrompeten immer wieder als nicht sehr zuverlässige Instrumente. Sehr schön war auch die Alt-Arie "Schließe, mein Herze", die eine Korrespondenz mit der Solovioline brachte. Dadurch, dass die Vokalsolisten hinter dem Orchester standen und die Zuhörer so den Instrumenten näher waren, entwickelte sich der Klangeindruck eines konzertierenden Miteinanders der Beteiligten und weniger eine bloße Begleitung des jeweiligen Sängers.

Das Konzept einer durchgängigen Transparenz verfolgte Thomas Scherbel auch bei den sehr sparsam vom Continuo unterfütterten Rezitativen und den Chorälen. Der Evangelist Markus Zeitler verstand sich als Erzähler im besten Sinn des Wortes, und der Chor folgte seinem Dirigenten bei den als Ruhepole inszenierten Chorälen mit absoluter Konzentration. Gleiches galt auch für das homogene Solistenquartett "Was will der Höllen Schrecken" kurz vor Ende. Nicht enden wollender Applaus belohnte am Ende alle Beteiligten, und mit einem Glühwein vor der Kirche konnte der Abend gemütlich ausklingen.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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