Germering:"Ich will mein Sterben erleben"

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Drei Helfer des Hospizvereins berichten von ihren Erfahrungen mit schwerstkranken Menschen und deren Angehörigen

Von Andreas Ostermeier, Germering

Begleiter in den letzten Tagen eines Lebens sind Gabi Baldus, Alfred Fischer und Margit Höglinger vom Germeringer Hospizverein. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Am Beginn einer Tätigkeit als Hospizhelfer stehen oft persönliche Erfahrungen. Alfred Fischer, seit einem Jahr Sterbebegleiter, ist viele Jahre lang Rettungsdienst gefahren. Nun, in Altersteilzeit, will er wieder Menschen helfen. Margit Höglinger, die im Jahr 2013 die Ausbildung zur Hospizhelferin absolvierte, hat das Sterben ihrer Mutter begleitet, ehe sie sich der Hospizarbeit zuwandte. Auch Gabi Baldus, die zu den Gründern des Vereins gehört, ist durch ein persönliches Erlebnis auf die Notwendigkeit der Hospizarbeit aufmerksam geworden. Als sie ihre Mutter einmal in ein Krankenhaus begleitet hat, habe dort eine Patientin gelegen, die sich sehnlichst jemanden zum Reden gewünscht habe, erzählt Baldus in einem Gespräch der drei Helfer mit der SZ.

Einem Menschen am Ende seines Lebens zuzuhören, ihm die Hand zu halten und zu verhindern, dass er alleine ist, das ist der Kern der Arbeit, die Hospizhelfer leisten. "Wir geben Zeit", sagt Höglinger. Die Anwesenheit sei für Schwerkranke enorm wichtig, sind sich die drei Helfer einig. Auch Patienten, die nicht mehr ansprechbar sind, reagierten auf Anwesenheit oder eine Berührung, sagt Fischer. Dabei kann es ganz schön schwierig werden, wenn ein Patient gar nicht reden mag oder kann. Eineinhalb Stunden dazusitzen, die Hand eines Schwerkranken zu halten und nichts sagen zu können, das müsse man erst einmal aushalten, sagt Baldus zu den Anforderungen, die sich Hospizhelfern stellen. Da sitze man da und frage sich, ob der Einsatz überhaupt etwas nütze, sagt Höglinger.

Zudem unterscheiden sich die Betreuten stark voneinander. Mit einem habe er sehr viel gelacht, erzählt Fischer, der habe sich auf den Tod gefreut. Ein anderer tat sich schwer mit dem Sterben. "Er war ein Häufchen Elend", geplagt von längeren Atemaussetzern, sagt der Helfer. Auch die Persönlichkeiten sind recht unterschiedlich. Höglinger berichtet von einem Mann, der etwas "Preußisches" an sich hatte. Fast bis zuletzt und mit nur noch leiser Stimme habe er das Pflegepersonal zurechtgewiesen, wenn ihm etwas nicht passte.

Hospizhelfer haben aber nicht ausschließlich mit den Schwerstkranken zu tun. Auch zu deren Angehörigen müssen sie einen Draht finden. Denn diese vertrauen ihnen ja den Großvater oder die Mutter an. Zudem erfahren sie in den Gesprächen nicht nur Dinge, die den Patienten betreffen, sondern dieser erzählt auch von seiner Familie. So erfährt man Geschichten, die so oft erzählt worden sind, dass die Angehörigen sie schon gar nicht mehr hören können, sagt Baldus. Fischer und Höglinger berichten davon, mit wie viel Dankbarkeit und Wertschätzung Angehörige ihnen begegnet sind. Als er an der Beerdigung eines früheren Patienten teilnahm, sagt Fischer, sei er von der Enkelin an der Hand zum Grab geführt worden - wie ein Familienmitglied. Und Höglinger schildert, wie sich die Tochter einer Verstorbenen bei ihr für die Unterstützung bedankt habe.

Durch diese intensiven Erfahrungen verändern sich auch die Helfer. Fischer berichtet, dass er einen Mann neun Monate lang begleitet hat. Dabei sei ein inniges Verhältnis entstanden, so dass er den Verstorbenen unbedingt noch einmal sehen wollte, um Abschied nehmen zu können. Auch die Einstellung zum eigenen Tod verändert sich. Fischer sagt, er habe sich bis zur Hospizausbildung nur wenige Gedanken dazu gemacht. Nun rede er so offen darüber, dass es seinen Kindern oft zu viel wird. Gabi Baldus sagt, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen nicht mehr den Mehrheitswunsch nach einem schnellen Tod teile. "Ich möchte mich verabschieden können", lautet ihre Hoffnung für das eigene Lebensende. Margit Höglinger sieht es ebenso: "Ich will mein Sterben erleben."

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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