Germering:Hitlers Halbschwester in Germering

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Dieter Götz präsentiert seine Recherchen der Öffentlichkeit. Sein Vortrag über die letzten Lebensjahre von Angela Hammitzsch zieht 60 Zuhörer an

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Vor seinem Vortrag hatte Dieter Götz gefragt, ob jemand im Saal etwas vom Aufenthalt der Halbschwester Hitlers in Germering gewusst habe. Keine Hand ging hoch, bis auf die einer Besucherin, die meinte, sie habe es von jemandem gehört. Später stellte sich heraus, dass der ehemalige Stadtarchivar Franz Srownal ihr etwas davon erzählt habe. Der Germeringer Götz hatte sich große Mühe gemacht, um "Frau Hammitzsch' Geheimnis" aufzudecken. Daraus wurde ein 70-minutiger vom Autor spannend erzählter Volkshochschulvortrag vor 60 Besuchern in einem vollen Saal der Germeringer Stadthalle. Dort war auch Anni Seitz anwesend. Die Wirtshaustochter vom Mayerwirt in der Augsburger Straße, heute 83 Jahre alt, bleibt wohl die einzige lebende Zeitzeugin, dass Angela Hammitzsch, zuvor Angela Hitler, von 1945 bis 1949 in Germering gelebt hat.

65 Bilder hatte der Götz, assistiert von Dieter Müller, die beide zur "Kreativgruppe" des Fototreffs Germering gehören, in seinen Vortrag eingebaut. "Hammitzsch nahm ab Dezember 1945 am Mittagskreis im Mayerwirt teil", erzählte er. "Sie nimmt furchtlos Platz am Stammtisch der Bauern und Handwerker." Germering hatte damals 1600 Einwohner. Den dörflichen Charakter des Ortes belegte er mit einer eindrucksvollen Luftaufnahme. Götz will herausgefunden haben, dass Hitlers Halbschwester, die 1936 den Architekten und Ministerialrat Martin Hammitzsch in Dresden in dritter Ehe geheiratet hatte, die letzten Kriegstage zunächst in einem Hotel in Berchtesgaden verbracht hatte. Dort sei sie dann vor dem Eintreffern der US-Armee verschwunden.

Bereichern Germering um eine spektakuläre Geschichtsnote: Dieter Götz (rechts) und Dieter Müller bei ihrem Vortrag über Hitlers Halbschwester. (Foto: Johannes Simon)

Im Dezember 1945 tauchte sie in Germering auf, so steht es auf einem Meldeschein des Bürgermeisteramtes. Darin gab Hammitzsch ihren Mädchennamen mit "Hiller" an. Damals war sie 62 Jahre alt, wohnte nach dem zweiten Umzug innerhalb Germerings in einem kleinen Zimmer in der Kirchenstraße. Sie verfügte beim Mayerwirt immer über genügend Reichsmark, um täglich a la carte zu essen, so die Beobachtungen von Anni Seitz, die damals mit 13 Jahren am Stammtisch ihre Hausausgaben für die Schule erledigte. Auch versorgte Hammitzsch die Stammtischkollegen mit Lebensmittelmarken. Es war wohl auch so, dass die Frau damit prahlte, dass sie Nazigrößen kannte. Daran erinnert sich Anni Seitz jedenfalls. Immer wieder reiste sie nach Berchtesgaden, ging wohl über die grüne Grenze nach Österreich und sei mit frischem Geld nach Germering zurückgekehrt, so die Recherchen von Götz.

Angeblich habe der persönliche Adjutant Hitlers, Julius Schaub, am 26. April 1945 Angela Hammitzsch und deren Schwester Paula Hitler in Berchtesgaden je 100 000 Reichsmark zukommen lassen. Dabei beruft sich Götz auf eine Gerichtsverhandlung nach dem Krieg gegen die Haushälterin Hitlers, die Gegenstände aus Hitlers Wohnstätten in München und am Obersalzberg auf eigene Rechnung verscherbelt hatte. Dort trat Schaub als Zeuge auf und erzählte den Vorgang. Hammitzsch brachte das Geld, laut Götz, vor den Amerikanern in Sicherheit, ihrer Schwester wurde das Geld abgenommen. Nach der Währungsreform 1948 habe Hammitzsch von der Witwenpension ihres Mannes gelebt. Der war Ministerialrat in Dresden gewesen und hatte 1945 drei Tage nach dem Einmarsch der Roten Armee in Thüringen Selbstmord verübt. Im Germeringer Meldeschein hatte die Halbschwester Hitlers als ihren Beruf "Ministerialrat" eingetragen. Hammitzsch starb am 30. Oktober 1949 mit 66 Jahren nach einem Schlaganfall in der Herrschinger Klinik Schindlbeck, die es heute noch gibt.

Die Diskussion war kurz. "Wo wurde sie begraben?", fragte eine Besucherin. Auf dem Totenschein steht lediglich, dass sie "zur Überführung bereitgestellt wurde", so Götz. "Wohin, das ist nicht bekannt." Götz fand es merkwürdig, dass der bald vierjährige Aufenthalt von Hitlers Halbschwester, die nach seinen Recherchen nie NSDAP-Parteimitglied gewesen war, keinen Eingang in Germerings lokale Überlieferung gefunden hat.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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