Germering:Frohe Farben auf der Bühne

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Botschaft der Toleranz: Mozarts Oper kam 100 Jahre nach der türkischen Belagerung von Wien heraus. (Foto: Günther Reger)

Stimmige und vitale "Entführung aus dem Serail" in der Stadthalle

Von Klaus Mohr, Germering

Bassa Selim, ein gebürtiger Spanier, war Christ und ist jetzt Muslim in der Türkei. Er vergibt am Ende der "Entführung aus dem Serail" dem jungen Spanier Belmonte, dem Sohn seines größten Feindes. Die Thematik steht im Zusammenhang mit dem gescheiterten Eroberungsfeldzug der osmanischen Armee im Jahr 1683. Hundert Jahre später verarbeitete Mozart den Stoff in einem Singspiel, und die aufklärerische Humanität der Botschaft überstieg weit das im Theater damals übliche Maß. In unseren Tagen hat das Sujet um die Konfrontation der Religionen eine neue Aktualität erlangt, und man wünscht sich, dass sich die Protagonisten heute so begegnen, wie sie es am Ende von Mozarts "Entführung" tun: "Wer so viel Huld vergessen kann, den seh' man mit Verachtung an."

Fernab der politischen Botschaft der "Entführung" ist die Oper bis heute eines der am meisten gespielten Bühnenwerke Mozarts und stand am Samstag auf dem Spielplan im Orlandosaal. Dazu gastierte die Kammeroper Prag in Koproduktion mit der Nordböhmischen Oper Usti nad Labem. In die immer wieder neu bezaubernde Musik sind Elemente der Janitscharenmusik effektvoll verwoben. Auf humoristische Weise werden auch Klischees gepflegt: Osmin, der Aufseher im Landgut des Bassa Selim, ist nicht nur ein grobschlächtiger Haudegen, sondern auch mit Alkohol schnell verführbar. In seinem fast oberkörperfreien Outfit aus dem Asia-Kostümshop und dem neckischen roten Sonnenschirm wirkt er wie die Karikatur seiner selbst. Blonde, die Bassa Selim ihm als Sklavin geschenkt hat, verwöhnt ihn zu Beginn des zweiten Aktes mitten auf der Bühne: Osmin sitzt in der Badewanne und lässt sich von ihr wie im türkischen Hamam genüsslich massieren, sie aber treibt zur Freude des Publikums ihre Späße mit ihm.

Insofern erlebte der Zuschauer in der Inszenierung von Martin Otava eine in vielen Passagen inhaltlich absolut stimmige und zugleich vitale Bühnenpräsentation, die optisch durch frohe Farben erfreute. Auch das sehr versiert und akkurat musizierende Orchester kam mit der Transparenz und dem Farbenreichtum der Mozartschen Musik ausgezeichnet zurecht. Dirigent Milan Kaňák arbeitete sorgsam die kammermusikalischen Details heraus.

Leider konnten die Sänger das Niveau des Orchesters nicht erreichen: Osmin (Ivaylo Guberov) verfügt über eine profunde Bassstimme, fand aber erst in seinem letzten großen Auftritt zu einer rhythmischen Symbiose mit dem Orchester. An Blonde (Monika Sommerová) konnte man ihr schauspielerisches Talent bewundern. Auch stimmlich war sie versiert, doch wäre die Übertitelung des Textes hier unbedingt auch in den gesprochenen Dialogen erforderlich gewesen. Ihre Textverständlichkeit tendierte aufgrund mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache gegen Null. Spielerisch, aber auch stimmlich locker agierte Pedrillo (Richard Klein), während Belmonte (Robert Remeselnik) seinen Edelmut hinter einer sehr engen Tenorstimme versteckte. Die äußerst anspruchsvolle Sopranpartie der Konstanze fand in Tereza Mátlova eine bemühte Protagonistin, die ein solides Niveau erreichte.

Dass ausgerechnet die leuchtend orangefarben verkleideten Sklaven dem Ausbrecherquartett als Helfershelfer zur Verfügung standen, war ein eher erstaunlicher Regieeinfall. Von der Stringenz der Handlungsdramaturgie her naheliegender war ein großer Koran als Geschenk Bassa Selims an Belmonte am Ende. Lang anhaltender Beifall am Schluss.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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