Germering:Freud und Leid teilen

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Wenn es ums Spielen geht und das Angebot an Spielsachen verlockend ist, verstehen sich Kinder wie beim Sommerfest im Flüchtlingsheim sofort. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bei Sommerfest sprechen Flüchtlinge ihre Sorgen an, aber sie helfen auch zusammen mit

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Amir wirkt traurig. Auch das Sommerfest, das der Germeringer Helferkreis Asyl auf der Wiese hinter den drei Baracken veranstaltet, kann den Iraker nicht so recht aufheitern. "Sein Problem und das vieler anderer hier ist die Unsicherheit", sagt Beatrix von Bothmer von der Caritas, langjährige Leiterin des Asylbewerberheims am Starnberger Weg. Amir kam 2005 mit einer Gruppe junger Iraker nach Germering. Heute ist er 31 Jahre alt und fühlt sich um seine Jugend betrogen. "Ich bin ein alter Mann", sagt Amir und zeigt auf seinen Bart, der ihm gewachsen ist.

Das Dutzend Iraker, die damals mit Amir nach Germering kamen, sind schon lange wieder weg. "Die sind verheiratet und haben Familie", berichtet Sozialpädagogin von Bothmer, "Amir hätte auch gern Familie." Nur hat er bisher kein politisches Asyl erhalten. Er hat wie viele seiner Landsleute in Deutschland den Status der Duldung. Amir arbeitet seit vier Jahren in einem Pasinger Hotel, vorher war er für ein Schnellrestaurant tätig. Auch Ari aus dem Irak lebt gerade in einer für ihn äußerst unsicheren Phase. Seit sechs Jahren wohnt er im Germeringer Asylbewerberheim. "Er darf nicht mehr arbeiten", erzählt von Bothmer. "Das macht ihm sehr zu schaffen." Aris Asylantrag ist ebenfalls abgelehnt worden. Ein Folgeantrag ist gestellt, aber noch nicht entschieden worden.

Auch andere Bewohner gehören seit Jahren zur Stammbelegschaft des Flüchtlingsheims. Dort leben 70 Menschen aus aller Welt, neben anderen auch der 29-jährige Afrikaner Mamadou. Er kam vor vier Jahren aus dem Senegal. "Das war nicht immer so", ergänzt Unterkunftsleiterin von Bothmer. "Anfangs ist er nie aus seinem Zimmer herausgekommen." Apropos die Zimmer: Sie sind seit dem Bau der Baracken in den Neunzigerjahren nur selten renoviert worden. Ausgestattet mit zwei Betten und Metallschränken müssen sich auf 14 Quadratmetern zwei Bewohner arrangieren. Mamadou ist ein muskulöser Mann und arbeitet auf dem Bau. "Ich bin Maurer", sagt er stolz. Er hat eine Arbeitserlaubnis, die im Februar 2016 ausläuft. Ob sie verlängert wird, steht nicht fest. "Er zahlt hier Steuern und mit seinem Verdienst Schulden zurück", erläutert von Bothmer, die ständig mit Menschen zu tun hat, die "irgendwie festsitzen". Helfen kann "die Chefin", wie die Bewohner anerkennend sagen, nur ganz bedingt. Mehr als Mut zusprechen und Hoffnung machen, geht meistens nicht.

Mamadou kommt, so sieht es Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, aus einem sicheren Herkunftsland und müsste nach dem Willen der CSU umgehend dorthin zurück. Von Bothmer ist sich sicher: "Die Afrikaner wissen genau, dass deutsche Politiker sie abschieben wollen." Sie rede auch mit ihnen darüber. Mamadou tut so, als ob er die Frage nach einer möglichen Abschiebung nicht versteht. "Das ist hier meine große Familie", antwortet er lieber und ein Lachen geht über sein Gesicht. "Das Schöne ist", sagt von Bothmer, "die helfen sich hier alle gegenseitig, egal, um welche Nationalität es sich handelt." Auch beim Sommerfest helfen viele mit und kochen Essen. "Wir müssen die Zeit hier so gestalten, dass es eine gute Zeit für alle ist", beteuert Bothmer.

Eine gute Zeit erlebt jetzt auch eine vierköpfige Familie aus Afghanistan, die nach vier Jahren im Asylbewerberheim in eine Wohnung in Germering umgezogen ist. Siegfried Schomburg, seit zwölf Jahren Leiter des Germeringer Helferarbeitskreises Asyl, bekam einen Anruf einer Vermieterin, die gezielt eine Asylbewerberfamilie wollte. Er kann in der Bevölkerung kein Stimmungsumschwung gegen Flüchtlinge ausmachen. Im Gegenteil: Schomburg bekam noch einen positiven Anruf. Nun bietet ein Germeringer sogar ein Haus für Flüchtlinge an.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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