Germering:Flüchtlinge müssen eiligst packen

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Weil Ende März das Don-Bosco-Altenheim abgerissen wird, haben 200 Asylbewerber ihre Unterkunft zu verlassen. Ehrenamtliche Helfer kritisieren die Informationspolitik der Behörden

Von Karl-Wilhelm Götte

Georg Liebermann hat vor zwei Stunden einen afrikanischen Flüchtling zur S-Bahn gefahren. Er war sehr verblüfft, was der junge Mann alles dabei hatte. "Er hatte einen Koffer gepackt, der so schwer war, dass ich ihn kaum heben konnte", erzählt Liebermann. Dazu lud der Afrikaner noch eine Mikrowelle in dessen Auto und einen größeren Flachbildfernseher. Als die S-Bahn Richtung München kam, bugsierte der Mann alles in den Waggon und verabschiedete sich von Georg Liebermann. Der Afrikaner, der per Bahn auf dem Weg nach Weilheim war, gehörte zu den etwa 200 Flüchtlingen, die bisher im ehemaligen Germeringer Altenheim Don Bosco wohnten und jetzt umziehen müssen, Ende März wird das Gebäude abgerissen. Im Herbst dieses Jahres soll der Neubau eines Alten- und Pflegeheimes mit Betreutem Wohnen beginnen. Ende 2019 soll das neue Haus fertig gestellt sein, teilt Caritas-Sprecherin Adelheid Utters-Adam mit.

Der Aus- und Umzug der Flüchtlinge aus dem Altenheim, der von der Regierung von Oberbayern organisiert wird, folgt nach und nach, aber manchmal auch hoppla-hopp. So bekam ein Asylbewerber aus Pakistan Bescheid, dass er sich am nächsten Tag in der Flüchtlingsunterkunft in Olching einzufinden habe. Das Behördenschreiben, das der SZ vorliegt, droht mit einer "zwangsweisen Verlegung", falls der "Verpflichtung" zum Umzug nicht nachgekommen werde. Eine Klage gegen den Bescheid sei innerhalb von zwei Wochen möglich, habe aber keine aufschiebende Wirkung, wie die Behörde im Juristendeutsch schreibt. Eine Übersetzung des Schreibens für den Pakistani wird nicht mitgeliefert. Auch die Caritas-Asylberatung im Haus kann das kaum leisten. Deshalb empfiehlt die Behörde, dass sich die Bewohner untereinander helfen sollen, "um das Miteinander zu stärken", so die Mitteilung der Pressestelle auf Anfrage der SZ.

Kleidung und Möbel transportieren die Asylhelfer für die Flüchtlinge aus Don Bosco offen auf dem Anhänger. (Foto: Uta Conrad/oh)

Die häufig schlechte Vorbereitung der Umzüge durch die Regierung von Oberbayern kritisieren Asylhelfer Liebermann und seine Mitstreiter in Germering sehr nachdrücklich. "Der Vorlauf ist zeitlich viel zu knapp bemessen", klagt der ehemalige Ingenieur Liebermann. So kommt es nicht selten vor, dass der Germeringer Helferkreis direkt Kontakt mit den Heimleitungen aufnimmt, die die Flüchtlinge aufnehmen sollen, um den Umzug um einen Tag zu verschieben. Das klappt dann auch meistens. "Wir werden von der Regierungsbehörde nicht informiert", beklagt auch Barbara Beutler vom Asylhelferkreis. "Die Zusammenarbeit mit uns wurde von der Behörde angekündigt, aber nicht praktiziert." Auf das Problem der Information und Zusammenarbeit mit dem Germeringer Helferkreis geht die Regierung von Oberbayern auch auf schriftliche Nachfrage nicht ein. Diese habe offenbar auch kaum eine Vorstellung davon, was die Flüchtlinge in vielen Monaten in Germering an Kleidung und Einrichtungsgegenstränden besorgt, gespendet bekommen oder angesammelt haben. Da die Don-Bosco-Asylbewerber nicht nur im Landkreis, sondern auch auf andere Unterkünfte in ganz Oberbayern verteilt werden, stellen sich vor allem immer wieder Transportprobleme.

So gibt es nicht nur Umzüge nach Weilheim sondern auch nach Erdweg im Landkreis Dachau oder nach Eichstätt. Dorthin hat der Asylhelferkreis kürzlich einen Lkw- und Bustransport organisiert. "Nach Eichstätt sind 15 Flüchtlinge mit ihrem Hab und Gut umgezogen", erzählt Uta Conrad, die ebenfalls zum Asylhelferkreis gehört. Eichstätt sei da nur der erste Anlaufpunkt gewesen. "Danach haben wir noch drei Unterkünfte im Landkreis Eichstätt angefahren und die Menschen verteilt", berichtet Liebermann. Das habe den ganzen Tag gedauert und man habe etwa 400 Kilometer zurückgelegt. Die Stadt Germering hat für die Tour einen Bus zur Verfügung gestellt. Den Lkw für das Gepäck konnte der Asylhelferkreis kostenlos bei einem spendablen Menschen ausleihen. Die Regierung von Oberbayern stellt eine Bahnfahrkarte, eine einfache Fahrt, zur Verfügung und sieht sich ansonsten nicht weiter in der Pflicht. "Sie (die Flüchtlinge) werden sich eigenständig zur neuen Unterkunft begeben", antwortete die Pressestelle lapidar auf SZ-Anfrage. Die Spritkosten für den Lkw nach Eichstätt übernahmen vorerst die Helfer. "Wir können die Leute nicht hängen lassen", sagt Beutler. "Die können doch nicht zehn Mal mit der Bahn hin- und herfahren." Also geht am Donnerstag eine neue Fahrt für fünf Flüchtlinge mit einem gesponserten Bus und mehreren Helfer-Pkws mit Gepäck nach Mittelstetten.

Jetzt Flüchtlingsunterkunft - das ehemalige Don-Bosco-Altenheim. (Foto: Johannes Simon)

Ein Zwischenfall habe es bei der Tour nach Eichstätt auch noch gegeben. Eine Mutter mit Kleinkind wollte mit ihren zahlreichen Kindersachen nicht in einen, wie sei meinte, zu kleinen Raum einziehen. "Sie hat sich dann vor den Lkw gestellt und diesen blockiert", so Liebermann. "Sie wollte wieder mit zurück nach Germering." Die gerufene Polizei habe die Frau aus Eritrea dann überredet, erst einmal in das Zimmer einzuziehen. Die Prozedur habe insgesamt drei Stunden gedauert. An den neuen Unterkünften, die die Asylhelfer sehen, haben sie nichts auszusetzen. Allerdings sind es im Gegensatz zum Don Bosco-Heim wieder Mehrbettzimmer. "Muslimische Frauen trauen sich dann wieder nachts nicht allein über den Flur auf die Toilette", sagt Beutler, die von entsprechenden Erfahrungen weiß.

Lehrer der Germeringer Kleinfeld-Grundschule hatten Anfang Februar in einem Schreiben an die Regierung von Oberbayern appelliert, die Kinder, auch aus pädagogischen Gründen, wenigstens bis zum Schuljahresende in ihren Klassen zu lassen. Doch die Praxis hat sich offenbar nicht geändert. "Die Kinder müssen mit ihren Eltern umziehen und können sich nicht einmal von der Klasse verabschieden", berichtet Conrad, die selbst Lehrerin ist. Für behinderte Flüchtlinge, die ein passendes Bett, Hilfsmittel und ein entsprechendes WC benötigen, gibt es offenbar in ganz Oberbayern kaum eine passende Herberge. Die Regierung von Oberbayern beantwortete die schriftliche SZ-Nachfrage nach der Unterbringung von Behinderten nicht.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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