Germering:Fehlende Nuancen

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Dramatisch das Geschehen, ansprechend die Aufführung: Szene aus "Tosca" in der Germeringer Stadthalle. (Foto: Günther Reger)

Mailander Opern-Ensemble mit solider "Tosca"-Aufführung in Germering

Von Klaus Mohr, Germering

Die Bilanz von Giacomo Puccinis Oper "Tosca" ist verheerend, am Ende sind es vier Tote innerhalb von nur wenigen Stunden. Auch wenn das "Resultat" das gleiche ist, die Wege dorthin sind verschieden: Ein Mord, der rein juristisch sicher als Totschlag oder Notwehr durchginge, eine Erschießung und zwei Suizide führen dazu, dass alle wesentlichen Protagonisten am Schluss tot sind. Für Puccini muss diese Dramatik höchst reizvoll gewesen sein, zumal Elemente wie Liebe, Eifersucht und Machtmissbrauch die Handlung befeuern. Wie jedes Jahr gastierte auch diesmal die Compagnia d'Opera Italiana di Milano im Germeringer Orlandosaal und zeigte Tosca nach sieben Jahren in einer neuen Inszenierung. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren blieben jedoch Plätze im Zuschauerraum unbesetzt. Unter der musikalischen Leitung von Luciano di Martino waren Solisten und Chor der Compagnia d'Opera Italiana di Milano sowie das Orchester der Staatsoper Rousse zu hören.

Auch wenn die maßgeblichen Personen den tragischen Handlungsverlauf zu Beginn der Oper nicht erahnen können, der düstere Gestus der Musik nahm das Geschehen voraus. Auch die Bühnenbilder von Norbert Wengorz sparten von Anfang an mit hellen Tönen ebenso wie die Kostüme (Gerlinde Höglhammer) mit Farben, alles war sehr zurückhaltend und gedeckt. Was sich wie ein roter Faden durch die drei Akte zog, waren brennende Kerzen: Im ersten Bild symbolisierte eine ganze Gruppe aus Kerzen im Kirchenraum das ewige Licht, im zweiten Akt stand ein Leuchter auf der gedeckten Tafel für die Lebenslust und wurde folglich nach dem Tod des Polizeichefs Scarpia von Tosca gelöscht. Im dritten Akt schließlich markierte eine Laterne die Schwelle vom Leben zum Tod. Stilistisch orientierten sich die Kostüme an der Zeit um 1800, zu der die Handlung spielt, womit Perücken, Reif- und Ausgehröcke zu sehen waren. Das sparsame Bühnenbild aus Metalltreppen und Brücke spielte mit der Sachlichkeit einer Fabrikhalle, womit ein natürliches Spannungsfeld zur Zeit der Handlung eröffnet war.

Musikalisch hatte das Orchester eine sehr solide Qualität, die Balance war stets sehr schön ausgewogen. Immer wieder leuchteten wunderbare Solisten aus ihm hervor, beispielsweise mit einer ganz sehnsuchtsvollen Klarinettenkantilene im dritten Akt. Der Dirigent führte sicher und rücksichtsvoll, und bis auf kleine Anlaufschwierigkeiten zu Beginn der Oper klappte auch die Verzahnung der Bühne mit dem Orchestergraben sehr gut.

Der erste Akt wirkte in der Führung der Personen durch die Regie (Corinna Boskovsky) als auch in den Leistungen der Sänger etwas indifferent. Dieser Eindruck schwächte sich mit der Dramatik des zweiten Aktes deutlich ab, so dass ein recht kurzweiliges Spiel entstehen konnte. Zu einem Höhepunkt wurde die Verschränkung der Kantatenaufführung durch den nicht sichtbaren Chor hinter der Bühne mit dem dialogischen Handlungsstrang auf der Bühne. Stimmlich verfolgten die Protagonisten das klare Ziel, sich gegen das Orchester erfolgreich durchzusetzen. Damit kamen Nuancierungen nicht immer so zum Ausdruck. Maria Tomassi alias Floria Tosca gab eine sehr stimmgewaltige Interpretation ihrer Rolle ab, der Maler Mario Cavaradossi (Riccardo Rados) verfügte über einen klangvollen Tenor mit leichter Höhe, aber nicht allzu großer Differenzierungsbreite. Allein von der Statur her verkörperte Baron Scarpia den übermächtigen und berechnenden Tyrannen, und sein sonorer in sich ruhender Bariton unterstrich diesen Eindruck noch. Viel Beifall zum Schluss, aber kein Jubel.

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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