Germering:Energiegeladen

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Statt des geplanten Programms spielen Tim Allhoff (von links), Andreas Kurz und Bastian Jütte vor allem Musik von ihrem unveröffentlichten Album. (Foto: Günther Reger)

Mitreißendes Jazzkonzert mit dem Tim-Allhoff-Trio

Von Henning Vetter, Germering

Eines der Merkmale, die dem Jazz oft zugeschrieben werden, ist die Spontanität, das Unerwartete. Und so verwunderte es nicht, dass Tim Allhoff anstelle des angekündigten "Kid Icarus" kurzerhand sein neues Album "There Will Be Light", welches erst im März veröffentlicht wird, in den Mittelpunkt seines Konzertes rückte. Im mit über 200 Gästen ausverkauften Amadeussaal der Stadthalle präsentierte sich das Trio um den Jazzpianisten Allhoff spielfreudig und energiegeladen.

Der Kontrabass, gespielt von Andreas Kurz, beginnt mit einem pulsierenden Pedalton, langsam tastet sich das Schlagzeug rein, schließlich wird das Trio durch das Klavier komplettiert, welches eine zyklische Linie mit dezenten Akzenten spielt. Langsam bewegt es sich vom Ostinato weg und findet beinahe unbemerkt seinen Weg zum Bass. Jetzt steht das Gerüst aus einem steten und quirligen Groove. Darüber breitet Tim Allhoff eine weite, balladeske Melodie aus. Das Thema ist einprägsam und wird auch in einer Art B-Teil weiter verarbeitet. Hier wird eine der besonderen Künste des Trios deutlich, denn zunächst unbemerkt köchelt es immer mehr und baut Spannung auf. Gerade als das Stück sich zu beruhigen scheint, explodiert es geradezu vom Klavier ausgehend, um sich kurz darauf doch in ruhigere Fahrwasser zu begeben und Platz zu machen für den Kontrabass. Die Dynamik, die erzeugt wird - sowohl vom Trio, als auch von jedem einzelnen Musiker - ist facettenreich. Die Begleitung für Andreas Kurz (Schlagzeug), zeigt, wie eingespielt die Band ist. Mit wenigen Mitteln schaffen es Bastian Jütte (Bass) und Allhoff, einen extrem groovenden Teppich auszubreiten, auf den sich Kurz nur noch legen muss. Das Schlagzeug konzentriert sich dabei vor allem auf Rhythm Clicks an der Snare, das Klavier spielt zunächst sparsam und kommentierend. Es ist ein Markenzeichen der Gruppe, sich energisch zu steigern ohne dass es aufdringlich oder offensichtlich erscheint. Das sich aus der Begleitung befreiende Klaviersolo ist gespickt mit Verschiebungen, Breaks und allem voran Energie. Die linke und rechte Hand Allhoffs treten zeitweise in Gegensätze, um im nächsten Moment die gleiche Melodie in Oktavabstand unisono zu spielen. Die Steigerung, welcher das gesamte Stück unterliegt, ist intensiv und mitreißend, die Beruhigung unmittelbar und erbarmungslos. Inmitten der Rauchwolke, die es zurückzulassen scheint, setzt das Klavier ein, melodiös, fast kindlich naiv. Es ist der Übergang in das folgende Stück, "Reach For The Stars".

Allhoff zeigt in der Stückauswahl seine Hingabe zur Popmusik, die in allen Kompositionen deutlich zu hören ist. Ganz konkret wird sie bei den Bearbeitungen von Radioheads "Burn the Witch" und der schwedischen Band Choir of Young Believers' "Hallow Talk". Aber auch die Jazztradition findet ihren Weg ins Programm, als das Trio eine intelligente Version von "There will never be another you" spielt, bei der es jeweils einige Takte des Originals nimmt und metrisch vertrakt neu zusammenfügt. Dabei wählt Allhoff lediglich die Stellen aus, die charakteristisch sind. Die Zugabe ist ein "tune" des wohl einflussreichsten Jazzmusikers aller Zeiten Miles Davis: "On Green Dolphin Street", bei welchem die Musiker nochmals vor Spielfreude sprühen. Allerdings hätte es dem Konzert sicherlich gut getan hätte, wenn der Flügel gestimmt gewesen wäre, was vor allem in den höheren Registern auffiel. Der Leistung des Trios tat das keinen Abbruch.

Stilistisch zeichnete sich das Konzert durch seine Offenheit gegenüber allen Genres aus. Dadurch wurde es massenkompatibel - ohne die negative Konnotation des Wortes. Denn gleichzeitig ist die Musik detailreich, die Künstler spielen bis auf wenige Ausnahmen viervierteltaktige Stücke, dabei treiben sie damit zugleich Versteckspiele, deuten um, verschieben und lösen wieder auf. Harmonisch bleibt es meist etwas brav, die Momente, in denen sich Allhoff löst, sind selten und kommen etwas zu kurz. Allerdings wird alles der Idee der Kompositionen untergeordnet. Insgesamt ein mitreißendes und vor allem Ernergie geladenes Konzert.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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