Germering:Eingeschränkt mobil

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Die frühere Fahrschulbesitzerin Frieda Schulz hat ihren Betrieb durch Insolvenz verloren

Von Andreas Ostermeier, Germering

Mit dem Auto ist Frieda Schulz (Name von der Redaktion geändert) früher viel unterwegs gewesen. Drei Jahrzehnte lang arbeitet sie als Taxifahrerin, später ist sie Inhaberin einer Fahrschule. Heute aber spielen Autos in ihrem Leben keine Rolle mehr. Seit Schulz ihre Fahrschule verloren hat und damit auch einen Großteil ihres Besitzes, hat sich ihr räumlicher Aktionsradius ähnlich eingeschränkt wie ihre finanziellen Mittel. Nun ist die 71 Jahre alte Germeringerin viel mit dem Fahrrad unterwegs. Das alte Radl hat Rost angesetzt, auch sonst wären Reparaturen an ihm nötig. Das alles kostet Geld, das sich die Rentnerin erst einmal zusammensparen muss. Und auch wenn sie das Geld für Reparaturen ausgeben könnte, sie hätte weiterhin bloß ein altes Radl. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte erreichen, dass Schulz ihre Mobilität beibehalten kann und sie deshalb beim Kauf eines neuen Fahrrads unterstützen.

Frieda Schulz hat ein Leben lang gearbeitet. Im Alter von 14 Jahren habe ihr Arbeitsleben begonnen, erzählt die Frau, die aus Rothenburg ob der Tauber stammt. Im Betrieb ihrer Eltern sammelt sie erste Berufserfahrung, später arbeitet sie in einer Tierarztpraxis. Dann folgen Jahre in der Gastronomie. In dieser Zeit habe sie zwar viele Erfahrungen gesammelt, erzählt Schulz, viel Geld hat sie aber nicht verdient. In ihrer Generation trifft dies auf einen Großteil der Frauen zu.

Auch als Taxifahrerin ist sie nicht reich geworden. 1977 chauffiert sie ihre ersten Fahrgäste durch München. Leicht hat sie es in dem Gewerbe aber nicht, denn das Taxifahren ist damals eine Männerdomäne. Und nicht alle Fahrer schätzen die weibliche Konkurrenz. Sie solle lieber zu Hause am Herd bleiben und Strümpfe stopfen. Solche und ähnliche Sprüche muss sie sich anhören. Doch Schulz lässt sich davon nicht unterkriegen. 30 Jahre lang steuert sie die Ziele in München an, die ihr die Fahrgäste nennen.

Ehe sie mit dem Taxifahren anfing, hat Schulz geheiratet. Ihr Mann eröffnet eine Fahrschule. 1991 stirbt er im Alter von 49 Jahren. Für die Rente hat er bis dahin noch nicht viel zurückgelegt. Er ist Selbständiger gewesen, sagt die 71-Jährige, da seien viele Ausgaben wichtiger als Rücklagen fürs Alter. Die Witwenrente ist dementsprechend niedrig. Doch Schulz hat noch ihren Beruf und die Fahrschule. Taxi fährt sie bis 2007. Mit 60 Jahren hört sie auf. Doch mit den Einnahmen aus der Fahrschule kann sie ihren Lebensunterhalt nur wenige Jahre länger bestreiten. 2011 gerät ihr Betrieb in die Insolvenz. Viel erzählt sie darüber nicht. Doch dass der Betrieb der Fahrschule nicht einfach gewesen ist, lässt sich schon daraus schließen, dass Schulz zwar die Fahrschule gehört, sie sie aber nicht leiten kann, weil sie keine Ausbildung als Fahrlehrerin besitzt. Deshalb benötigt sie immer jemanden, der die Geschäfte führt.

Die Zeit sei auch sehr schön gewesen, sagt sie. Überhaupt sucht Schulz keine Schuldigen für ihre Situation. Allenfalls die Politik kritisiert sie, weil die das Problem der Altersarmut nur zögerlich angeht. Ihr Glaube aber helfe ihr, sagt sie. Die Kraft, die sie aus ihm schöpft, habe sie auch das Insolvenzverfahren durchstehen lassen. Seit vergangenem Jahr ist sie schuldenfrei. Das habe sie schriftlich vom Gericht, sagt sie.

Schulz geht regelmäßig zur Germeringer Tafel: "Ich schäme mich nicht dafür." Schließlich habe sie ein Leben lang gearbeitet. Dort holt sie Lebensmittel ab. Sie greife auch bei solchen zu, die sie nicht kenne. Auf diese Weise hat sie Ziegenkäse kennen und schätzen gelernt. Zur Tafel zu gehen falle ihr auch deswegen leicht, weil die Mitarbeiter so freundlich sind. Ausführlich lobt Schulz Tafelleiter Jürgen Quest und die Ehrenamtlichen, die die Lebensmittel abholen und verteilen. Was sie mitnimmt, das packt sie in einen Koffer. Sie sehe immer so aus, als wolle sie verreisen, sagt Schulz. "Doch ich verreise nur innerhalb Germerings", fügt sie an. Häufigstes Reisemobil ist das Fahrrad. Auch weil die Ärzte ihr sagen, sie solle sich viel bewegen.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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