Germering:Ein sentimentales Hobby für Väter

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Die Rennbahn-Börse in der Germeringer Stadthalle ist eine Veranstaltung vornehmlich älterer Männer. (Foto: Günther Reger)

Die Rennbahn-Börse in der Germeringer Stadthalle macht deutlich: Carrera-Autos lösen bei Kindern keine Begeisterung mehr aus

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Gleich am Eingang hat Bernd Linden eine vier Meter lange und zwei Meter breite Carrera-Bahn aufgebaut. Drei kleine Buben halten die Fernbedienung fest in der Hand und lassen die Autos um die Bahn herumsausen. Alle paar Sekunden schießen diese, daran hat sich seit 55 Jahren nichts geändert, aus der Bahn und Linden legt sie wieder in die Spur. Doch das Kinderbild täuscht. Die Rennbahn-Börse in der Germeringer Stadthalle ist eine Veranstaltung vornehmlich älterer Männer. Die laufen am Sonntagvormittag dicht gedrängt an den zahlreichen Ständen der Aussteller und Sammler vorbei.

Die spurgebundene Carrera-Autorennbahn mit Autos im Maßstab von 1:32 ist nicht mehr die analoge Bahn der Sechzigerjahre. Heute ist sie immer noch ferngesteuert, aber durchdigitalisiert. "Der Kontakt erfolgt per Bluetooth", erläutert Linden, der Inhaber der "Automodellbahnwelt" in der Unteren Bahnhofstraße in Germering. Durch Weichen ist auch Überholen möglich. Es blinkt mal rot und mal blau. In der Mitte steht ein Rundenzähler, natürlich auch digital gesteuert. Der zeigt auch an, dass das Auto mit der Nummer drei gerade vor der Sieben in Führung liegt.

500 Euro Anschaffungspreis mit vier Autos und zwei Spuren veranschlagt Linden für die Bahn mit Zubehör. Aussteller sind aus ganz Deutschland und Österreich gekommen. Zu besichtigen sind Hunderte von kleinen Rennautos in Plastikschachteln. "Leider gibt es keine gebrauchten Autos", klagt ein älterer Besucher. Doch nicht nur Modellautos dominieren den Säulensaal, es gibt umfassende Ersatzteillager für die Carrera-Autos und -bahnen. Besonders das "team frankenslot" mit "Slotmike" hinter dem Verkaufstisch bietet alle nur denkbaren Tuning-Teile für die Carrera-Autos an. Dazu eine spektakuläre Reifenschleifmaschine für 130 Euro.

Die erste Carrera-Bahn, die Universal 132, kam 1963 auf den Markt. Unter Jungen war sie der Renner gewesen. Wettrennen wurden mit großer Leidenschaft veranstaltet. Große Freude herrschte damals, wenn sie als Weihnachtsgeschenk unter dem Tannenbaum lag. Dort liegt sie in Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche sich Computerspielen widmen, nicht mehr so häufig. "Es fehlt auch der Platz in den Kinderzimmern", sagt Linden. "Und den Kindern heute das Autogen", ergänzt Claus Eisenschink. Er ist aus München gekommen, um der Frage nachzugehen: "Wie geht es noch einen Tick schneller?" Der Fachausdruck dafür heißt "modifizieren". Der 60-jährige Architekt hat sich deshalb bei einem Reifenhersteller im Raum umgeschaut, der sicherlich 150 verschiedene Reifen für die Modellautos anbietet. Er hat seine Bahn, wie die allermeisten als Kind bekommen. Sie an seinen Sohn weiterzugeben, ist gescheitert. Jetzt bastelt er selbst weiter an Autos und Bahn herum.

Zum Basteln ist in Germering jede Menge vorhanden. Viele Besucher sind auf der Suche nach Ersatzteilen für diese erste Carrera-Bahn, die bis 1965 gebaut wurde. Sie werden durchaus fündig, gibt es doch gebrauchte Einzelteile wie das "Rasthaus", die "Hängebrücke" oder den "Presseturm" zu erstehen. 1985 ging das Unternehmen Universal, das Carrera vertrieb, in Konkurs. Heute gehört die Marke zu einer österreichischen Firma in Salzburg.

Klaus Schäfer aus der Nähe von Rosenheim vertreibt Carrera Digital 132, da gängige Modell seit 2007. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender eines Carrera Racing-Vereins. Im Vereinsheim ist eine Bahn mit einer Streckenlänge von 58,5 Metern aufgebaut. Alle 14 Tage finden dort Rennabende statt. Auch Schäfer weiß um das Nachwuchsproblem: "Von 50 Mitgliedern sind fünf Jugendliche von zehn bis 15 Jahren dabei." Attraktiv für Jugendliche ist, dass die heutige Bahn auch per Tablet oder Smartphone gesteuert werden kann. Der zwölfjährige Tizian Eibl ist einer der wenigen Kinder im Saal. Er ist mit seiner Mutter extra aus Ingolstadt gekommen, um die Bahn zuhause vielleicht zu ergänzen. "Mein Vater hat eine 42 Meter lange vierspurige Bahn im Keller aufgebaut", erzählt er stolz. "Im Winter spielen wir damit."

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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