Germering:Ein Kirchenmann als Publikumsmagnet

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Ihn wollen viele hören: Der Andrang zu Festredner Notker Wolf ist so groß, dass die SPD manche Besucher sogar abweisen muss. (Foto: Matthias F. Döring)

Notker Wolf, ehedem oberster Repräsentant der Benediktiner, erhält beim Neujahrsempfang der SPD viel Applaus

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Das hat es bei der Germeringer SPD lange nicht gegeben: ein völlig überfüllter Amadeussaal zum Neujahrsempfang in der Stadthalle. "200 dürfen rein", sagt der Ortsvorsitzende Christian Gruber. Einige Besucher sind dann auch an der Tür abgewiesen worden. Grund für den Andrang ist der Festredner Notker Wolf. Gleich sechs verschiedene Bücher werden von ihm am Eingang zum Verkauf angeboten. Der ehemalige Abtprimas des Benediktinerordens und frühere Erzabt des Klosters Sankt Ottilien, der vom Germeringer SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Johannes Landendinger vorgestellt wird, will sich zu "Visionen für 2020 - Hoffnungen und Vorbehalte" äußern.

Zu Visionen sagt Wolf, der im Juni 80 Jahre alt wird und mit Geburtsvornamen mal Werner hieß, zunächst nichts. Er beleuchtet erst einmal die aktuelle Politik im Nahen Osten und erhält ersten Beifall für den Satz: "Der Iran will kein Vasallenstaat der USA werden; das gilt auch für uns." Bei der Lage im Bürgerkriegsland Libyen befürchtet er "erneut ein großes Heer von Migranten". Migration sei ein Faktum, und Wolf erwähnt die Tatsache: "Im 19. Jahrhundert sind Millionen aus Deutschland in die USA ausgewandert, darunter viele Bauernsöhne." Dass junge Afrikaner bei fehlender Lebensperspektive in ihren Ländern mit der Flucht nach Europa "ein Todesrisiko eingehen, ist nicht verwunderlich", so der Redner. Er erinnert daran, dass in Sankt Ottilien 23 Asylbewerber aufgenommen worden sind und er selbst zwischen 1994 und 2000 Flüchtlingen Kirchenasyl eingeräumt habe.

Beim Thema Wirtschaft warnt Wolf vor den "Unheilspropheten", die für den Herbst 2020 einen großen Finanzcrash voraussagen. "Warten wir es ab, die Italiener sind da viel gelassener." Dafür gibt es wieder Beifall. Er sieht aber auch einen allgemeinen Mechanismus im Menschen: "Wenn's gut geht, wird man bequem." Wolf ist sich sicher: "Da ist dann ein Tritt in den Hintern nötig." Welche Zielgruppe er meint, sagt er nicht. An die SPD "als Arbeiterpartei" richtet er dann den Appell, zu überlegen, welche Art von Arbeiter es in der Zukunft geben wird." Wolf kritisiert heftig das Streben des Kapitals nach Gewinnmaximierung, und dass Geld die Welt regiert. "Geld, Geld treibt die Welt um", bekräftigt Wolf. Einen Lösungsvorschlag bietet er nicht an. Nur so viel: "Es geht darum, für eine Grundordnung zu sorgen, dass die Menschen gut leben können."

Ausführlich beschäftigt sich der Redner mit der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future", die er spürbar bewundert. "Die junge Generation drückt auf die Tube, dass es weh tut", so Notker Wolf, um dann gleich wieder einzuschränken: "Auch andere sind nötig, die den Verstand bewahren." Wen er damit meint, sagt er nicht. Auf jeden Fall seien "Querdenker" nötig, wie der Youtuber Rezo, 27, der die CDU traktiert und der Boomer-Generation der Jahrgänge 1955 bis 1969 eingeheizt hat. Zukunftsorientierte Querdenker verlangt er auch in der Wirtschaft und in der Kirche. "Mein Gott, ist das schwer in der Kirche", kommt ihm dabei über die Lippen und noch mehr: "Mit Jazzmessen lockt man niemanden mehr hinter dem Ofen vor."

Auf Visionen kommt Wolf aber nicht mehr zurück. Man brauche Frauen und Männer, die denken könnten, sagt er noch, und dass es Freiheit in sozialer Verantwortung brauche. Das vorrangig ältere Publikum in Germering, das dem Festredner am Ende heftig applaudiert, fordert er auf, sich unter die jungen Leute zu mischen, "die den Älteren wieder Hoffnung geben". So sein Wunsch für 2020. Doch letztlich gelte für ihn: "Gott bleibt der Herr der Geschichte. Wie er das meint, ist seine Sache."

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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