Germering:Die Schürze hängt am Nagel

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In Feierlaune (von links): Filmautorin Vera Greif, Gleichstellungsbeauftragte Renate Konrad und ihre Vorgängerin Antje Hettler. (Foto: Günther Reger)

Die Gleichstellungsstelle der Stadt Germering begeht ihr 30-jähriges Bestehen. Die Frauen sind sich einig, dass sich viel verändert hat in dieser Zeit - aber noch nicht genug

Von Heike A. Batzer, Germering

503 Jahre alt muss die Gleichstellungsstelle in Germering werden, dann ist die Gleichstellung erreicht. "Notieren Sie sich das bitte!", fordert Renate Konrad mit einem Unterton, der Unzufriedenheit erkennen lässt. Die Besucher stöhnen auf, als sie die Jahreszahl 2490 hören. Sie wissen, dass das ein langer Weg wird, der mehrere Generationen beschäftigen wird, denn gerade feiert die Gleichstellungsstelle ihr 30-jähriges Bestehen. Das ist in der Geschichte der Gleichstellungsstellen zwar auch schon ein hohes Alter, denn die damalige Gemeinde Germering gehörte zu den ersten, die die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung schon 1987 erkannten. Am Freitag gab es anlässlich des 30. Geburtstags eine Feier mit 75 Gästen und der Erkenntnis, dass es viele Fortschritte für die Frauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter gegeben hat in den drei Jahrzehnten, aber dass "wir noch einen langen Atem brauchen", wie Renate Konrad sagt.

Konrad ist seit 2001 als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt tätig. 20 Stunden ihrer Wochenarbeitszeit kann sie entsprechende Beratungen durchführen und Frauenthemen an die Öffentlichkeit bringen. Einem strengen Sparkurs Mitte der 2000er Jahre war auch ein Teil des Stundenbudgets der Gleichstellungsstelle zum Opfer gefallen und die Einstellung einer weiteren Mitarbeiterin abgesagt worden. Andreas Haas war damals noch Sprecher der CSU-Fraktion, mittlerweile ist er Oberbürgermeister der Stadt und lässt nun wissen, dass Germering seine Gleichstellungsstelle nicht in Frage stelle. Es sei aber weiterhin eine freiwillige Leistung der Stadt: "Dass wir sie erhalten, das kann keiner erzwingen. Aber wir tun es gerne."

Die Frage, ob denn eine Gleichstellungsstelle überhaupt nötig sei, wurde damals vor 30 Jahren freilich auch gestellt, und auch die Sorge geäußert, ob sie von den Bürgern akzeptiert würde. Ein Jahr zuvor war im Landratsamt Fürstenfeldbruck eine solche Stelle eingerichtet worden. In Germering gab und gibt es eine vergleichsweise aktive Frauenszene, es gründete sich die Germeringer Fraueninitiative (Gefi) und das Frauen- und Mütterzentrum (FrauMütze), die Germeringer Frauentage wurden ausgerichtet und alljährlich wird auf den Tag gegen Gewalt an Frauen mit dem Hissen einer Flagge aufmerksam gemacht. Dass sexualisierte Gewalt nun durch Me-too-Bekenntnisse öffentlich thematisiert wird, sei ein Fortschritt, sagt Renate Konrad, denn "es geht hier um Machtstrukturen und Machtdemonstration".

Zur Feier traf man sich am Freitagabend zunächst in der Blackbox der Stadthalle, später wurde im Stockwerk darüber im Nachtasyl bei einem von SPD-Stadträtin Fereschteh Erschadi-Zimmermann kreierten Fingerfood-Buffet und Wein weitergefeiert. Klar, die Männer waren in der Minderheit an diesem Abend, aber auch nicht so handverlesen, als dass sie gar nicht aufgefallen wären. Immerhin alle drei Bürgermeister waren zugegen, Haas, Wolfgang Andre (CSU) und Helmut Ankenbrand (SPD), auch der Germeringer Grünen-Landtagsabgeordnete Sepp Dürr. OB Haas durfte später einer besonderen Aufgabe nachkommen und kleine Nägel an alle Besucherinnen verteilen, mit denen diese die rote Schürze, die sie von Renate Konrad überreicht bekamen, symbolisch an den Nagel hängen konnten.

Denn Gleichberechtigung bedeutet auch, Aufgaben im öffentlichen als auch im privaten Raum zwischen Frau und Mann aufzuteilen. Immer noch sind es die Frauen, die den Großteil des Privatlebens mitsamt der Organisation von Haushalt und Familie erledigen - egal, ob sie berufstätig sind oder nicht. Und die Arbeit einer Gleichstellungsbeauftragten ist immer auch eine politische. Renate Konrad scheut sich nicht, Defizite zu benennen. Zweifellos habe sich viel verändert, sagt sie in ihrer Rede. Junge Frauen aber machten sich heute kaum noch Gedanken über Gleichstellung und glaubten, die Karriereleiter erklimmen zu können. Und junge Väter nehmen ganz selbstverständlich ein bis zwei Monate Elternzeit. Aber "blöd ist nur, dass die Frauen ab einem gewissen Alter beruflich nicht mehr weiterkommen und von den männlichen Kollegen überholt werden: weil sie Kinder kriegen". Dann stießen sie an einen "gläsernen Deckel". Veränderungsvorschläge seien deshalb oft nicht erwünscht, weil mit den Maßnahmen auch die Gesellschaftsordnung verändert werde. Dabei sei es notwendig, mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun und auch Männern die Möglichkeit zu geben, Pause zu machen.

Viele Frauen im Auditorium nicken zustimmend. Die meisten von ihnen haben diese Phase hinter sich und genau so erlebt. Ob es, um all das umzusetzen, noch einer Frauenbewegung bedürfe, dieser Frage ging Vera Greif nach. Die Germeringer Fotografin und Filmautorin hatte einen Film dazu gemacht, in dem sie Interviews mit Frauen verschiedener Generationen führte und der bei der Feier in der Blackbox, dem ehemaligen Kino, Premiere hatte. "Die Frauenbewegung gibt es gar nicht mehr richtig", sagt darin Brigitte Breidenbach, die einst die Gefi mitbegründet hatte. "Man muss sehr achtsam sein, um Errungenschaften nicht wieder zu verlieren", betont VHS-Geschäftsführerin Evi Seidel. Die interessanteste Passage des Films ist wohl die, in der die junge dreifache Mutter Susan Schaubhut erzählt, dass "es jetzt schwierig ist, arbeiten zu gehen. Es wird nie, was ich mir vorgestellt habe, denn mein Leben ist jetzt anders".

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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