Germering:Dem Jesusfoto auf der Spur

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In Don Bosco steht neben der Besinnung die Musik im Mittelpunkt: mit Orgel, Percussion und dem Chor "Soundaround". (Foto: Günther Reger)

Innovative Ideen bei der langen Nacht der Kirchen

Von Isolde Ruhdorfer, Germering

Aufnahmen von Jesus? Eine Dokumentation der Wunder, die er bewirkt hat? Weil es vor 2000 Jahren noch keine Kameras gab, ist das nur Wunschdenken. Oder? Die Jesus-Christus-Kirche lässt sich denn auch nicht beirren. Am Samstagabend waren dort einige rätselfreudige Menschen Jesus auf der Spur. Und nicht nur dort. Alle acht Kirchen Germerings beteiligten sich an diesem Abend an der Langen Nacht der Kirchen. Die ökumenische Veranstaltung soll laut Flyer dazu bewegen, "dem Glauben anders oder auch ganz neu auf die Spur zu kommen". Jede Kirchengemeinde führte die Menschen auf ihre ganz eigene Weise durch die Nacht.

Pfarrer Jan Freiwald von der Jesus-Christus-Kirche nimmt das "anders" wörtlich. Er konzipierte vier "Escaperooms" zur Bibel. Die sind äußerst gefragt, schon zu Beginn drängt sich dort ein Pulk, der mitmachen will. Action mit der Bibel, das findet Anklang. "Escape" kommt aus dem Englischen und bedeutet "flüchten" oder "ausbrechen". Ein Escaperoom ist ein Spiel, bei dem man aus einem geschlossenen Raum herausfinden muss. Dazu werden innerhalb einer Stunde verschiedene Rätsel und Aufgaben gelöst. Gespielt wird immer im Team. Häufig sind die Szenarien gruselig. Man muss einem gefährlichen Psychopathen entkommen oder ist selbst der Böse und flieht vor der Polizei. Nicht so bei der Jesus-Christus-Kirche. Diese Escaperooms haben alle einen Bezug zur Bibel und zum christlichen Glauben. Biblisches Vorwissen ist aber nicht erforderlich. Vielmehr ist Köpfchen gefragt, will man alle Rätsel in der vorgegebenen Zeit lösen. In einem Raum gilt es, einen religiösen Fanatiker davon abzuhalten, eine Kirche zu sprengen. In einem anderen geht es um einen "leicht verrückten Mönch" und ein verschollenes Buch. Team vier hat eine ganz besondere Aufgabe: Die fünf Spieler müssen eine Kamera mit Strom versorgen, bevor sie ausgeht und die Aufnahmen unrettbar verloren sind. Die Aufnahmen, das sind Fotos von Jesus. Wie das zustande kam? Ein Mann namens Thomas reiste mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit, um die Taten Jesu zu dokumentieren. Als er aber zurück ins Jahr 2118 will, landet er irrtümlich 200 Jahre früher: 1918. Die Kamera mit den Aufnahmen soll natürlich für die Zukunft erhalten bleiben. Die Energieversorgung endet 2018, genauer gesagt in einer Stunde. Die fünf Spieler im Alter von elf bis 56 müssen sich also beeilen. Im Laufe der 60 Minuten bilden sie aus einem Buchstabensalat einen Satz, verbinden Punkte auf einer Karte und nehmen immer wieder die Bibel zur Hand, um bestimmte Verse nachzuschlagen. "In der Bibel habe ich schon lange nicht mehr gelesen", räumt Oliver Kudrass amüsiert ein. Der 56-Jährige spielt gemeinsam mit seinem Sohn. Gerade muss sich die Gruppe durch das Zweite Buch Mose kämpfen. Keine leichte Lektüre für ungeübte Bibelleser. Zum Glück ist das Wort "Gesäß" unterstrichen. Aber was hat das mit dem Wort "Jungfrau" aus dem Lukasevangelium zu tun? "Müssen wir jetzt einer Jungfrau ans Gesäß langen?", fragt Katharina Stegmann, 25, skeptisch. Damit ist sie auf der richtigen Spur. An der Wand hängt ein Gemälde der Jungfrau Maria. Drückt man ihr auf das Gesäß, öffnet sich am anderen Ende des Raums ein Geheimfach. Darin liegt ein Zettel, auf dem die nächste Aufgabe steht: bei Gott anrufen.

Derweil liegt der Schwerpunkt in anderen Kirchen auf der Besinnlichkeit. In Sankt Jakob kann man sich auf eine Traumreise begeben, in der Sankt Martin Kirche "spirituelle Erfahrungen" durch meditatives Tanzen machen. Die Don-Bosco-Gemeinde setzt ganz auf musikalisches Erleben. Dort gibt es Orgelspiel, Percussion und der Chor "Soundaround" gibt in der voll besetzten Kirche ein Konzert. Sehr besinnlich ist dann auch der Abschluss des Abends vor der Stadthalle. Dort wird gebetet, gesungen und gegessen. Das Team der Jesus-Christus-Kirche schafft es übrigens nicht, rechtzeitig alle Rätsel zu lösen und damit die Kamera zu retten. Ein Foto von Jesus, das wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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