Germering:Das Erbe verinnerlicht

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Mario Rom und seine Band hinterlassen beim Publikum den Eindruck, dass sich der Jazz großartig weiterentwickelt. (Foto: Günther Reger)

Mario Rom zeigt in Germering, wie lebendig Jazz ist

Von Jörg Konrad, Germering

Mario Rom spielt Trompete, als hinge sein Leben davon ab. Leidenschaftlich, ungestüm, voller Risiko - ohne jeden faulen Kompromiss. Dabei eigentlich nicht sehr laut und in die Stratosphäre zielt sein Ton auch nicht unbedingt. Dafür hat er musikalisch Biss und jede Menge Fantasie. Mal Bop, mal Swing, eine ordentliche Prise Blues, Rock 'n' Roll, Punk und Latin sowieso. Meist nacheinander, manchmal aber auch simultan, mitunter sehr frei. "Der Chef, der nicht spricht" lebt seine Kreativität aus. Jazz in individueller Reinkultur also?

Ja! Wenn doch nur jemand sagen könnte, was denn Jazz genau wäre! Bezeichnen wir das akustische Phänomen an dieser Stelle als ein bestimmtes Lebensgefühl, das seine Energie aus der Spontanität bezieht, seine Vielfalt aus einer Art Grenzenlosigkeit, seine scheinbare Geschlossenheit aus gelebter Gruppendynamik. Mario Rom stand am Freitag nicht allein auf der Bühne des Amadeussaales der Germeringer Stadthalle. Der Trompeter aus der Steiermark hatte einige Landsleute mit dabei, die ihm enorm behilflich waren, sein geistiges Konzept in die musikalische Tat umzusetzen.

Zum einen wäre da sein reguläres Trio - Interzone, so genannt in Anlehnung an einen Text von William S. Burroughs. Dazu gehören Bassist Lukas Kranzelbinder und Schlagzeuger Herbert Pirker. Außerdem dabei der Saxofonist Johannes Schleiermacher. Und was die vier über zwei Stunden musikalisch gestalten, erinnert entfernt an die abenteuerlichen Sechzigerjahre, als Charles Mingus und Ornette Coleman mit ihren genialen Ideen jeden genormten Musikgeschmack verunsicherten.

Geniale Ideen haben auch Interzone feat. Johannes Schleiermacher, ohne die Historie zu restaurieren. Sie wechseln die Taktarten teilweise minütlich, durchmengen die Stile und die Befindlichkeiten, bis einem schwindelig wird. Was sie an Einfällen und Inspirationen in einen einzigen Titel packen, davon füttern andere Instrumentalisten ihre gesamte Karriere.

Trotz aller Freiheit agieren sie aber auch unglaublich präzise. Die Themen werden von Trompete und Saxofon im Unisonospiel perfekt intoniert. Anschließend verlieren sie sich (aber nur scheinbar) im Dickicht heißglühender Improvisationen. Traditionsbewusst und zeitgenössisch. Plötzlich sind sie wieder beieinander, agieren fast kongruent. Und all dies wird unterfüttert und vorangepeitscht von einem verwegenen Rhythmusduo. Lukas Kranzelbinder am Bass ist ein verlässlicher Timekeeper. Er fegt über die Seiten, schafft weite Räume, komprimiert Themen, gibt harmonischen Halt und kommuniziert über das Griffbrett hinweg - in Richtung des hinter dem Schlagzeug sitzenden Herbert Pirker. Der öffnet die rhythmischen Vorgaben, haucht ihnen pulsierendes Leben ein, provoziert hin und wieder, treibt die Band an und hält sie zusammen und alles dabei im Fluss. Nicht allein seine Solis begeistern, sondern vor allem seine Begleitung.

Diese unendliche Geschichte der modernen Musik, auch Jazz genannt, wird aufgrund derartiger Bands weitergeschrieben. Schon zig Mal totgesagt und doch wachsen immer wieder junge Instrumentalisten nach, zum Glück, wie im vorliegenden Fall, auch über sich hinaus. Instrumentalisten, die das Erbe dieser Musik verinnerlicht haben und neue Felder im Jazz bestellen. Bis sie dann Früchte tragen. Eine dieser Früchte heißt mit Namen Mario Roms Interzone feat. Johannes Schleiermacher.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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