Germering:Bayernweit bedeutend

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Große Unterschiede: Die Scherben des Gefäßes, das Stadtarchäologe Marcus Guckenbieh nun in einem Brunnen gefunden hat, unterscheiden sich deutlich von den Gefäßen in Gräbern aus jener Epoche. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Germeringer Stadtarchäologe Marcus Guckenbiehl gräbt einen Brunnen aus der Glockenbecherzeit aus. Das ist deshalb besonders, weil aus dieser Epoche sonst nur Gräber entdeckt werden. Dieser Fund aber dokumentiert die Lebensweise der letzten Steinzeitmenschen

Von Andreas Ostermeier, Germering

Einen besonderen Fund hat Marcus Guckenbiehl gemacht. Der Germeringer Stadtarchäologe hat einen Brunnenschacht aus der Glockenbecherzeit ausgegraben. So ein Fund ist deswegen besonders, weil aus dieser Zeit - etwa 2000 bis 2500 vor Christus - sonst nur Gräber entdeckt werden. Wie die Menschen damals gelebt haben, das wird aus dem Fund von Gräbern aber nicht ersichtlich, und da man allgemein wenig weiß über die Siedlungen der Menschen am Übergang von der Steinzeit zu den Gesellschaften, die Metalle verwendet haben, freut sich Guckenbiehl über seine Ausgrabung in der Oberen Bahnhofstraße. Der Fund habe "bayernweit Bedeutung", sagt der Archäologe und präsentiert die Tonscherben der gefundenen Gefäße.

Ganze zwei Brunnen aus der Glockenbecherzeit sind laut Guckenbiehl bisher in Bayern ausgegraben worden - und beide befinden sich in Germering. Vor ein paar Jahren hat Guckenbiehl bereits einen anderen Brunnenschacht aus der lange zurückliegenden Zeit entdeckt, nämlich anlässlich einer Straßensanierung in der Oberfeldstraße. Dass die Brunnen aus der Glockenbecherzeit stammen erkennt man an der charakteristischen Form der Gefäße, die aussehen wie eine umgedrehte Glocke. Allerdings, und das ist ein erstes Ergebnis aus Guckenbiehls Funden, unterscheiden sich die Gefäße, die den Toten als Grabbeigaben mitgegeben wurden, von denen, die die Lebenden im Alltag verwendet haben. Durch einen Blick auf das Grab, das im Zeit-Raum-Museum in der Domonter Straße zu sehen ist, und die Funde aus dem ersten Brunnen können Besucher die Unterschiede gut erkennen.

Die Untersuchung der Tierknochen aus dem ersten Fund hat ergeben, dass es sich bei den meisten Knochen um Überbleibsel von Zuchtvieh handelt. Das heißt, dass die Menschen, die sich Jahrtausende vor Christus in Germering niedergelassen haben, bereits Bauern gewesen sind, und nicht mehr oder nicht mehr nur vom Jagen und Sammeln gelebt haben. Und noch ein Ergebnis hat Guckenbiehls aktueller Fund erbracht: Das Grundwasser war vor 4000 Jahren höher gestanden als heute, denn der Brunnenschacht in der Oberen Bahnhofstraße war nur gut einen Meter tief. Heute müsse man etwa vier Meter in den Boden graben, um an dieser Stelle auf Grundwasser zu stoßen, sagt der Germeringer Archäologe.

Allerdings bleiben nach wie vor viele Fragen unbeantwortet. So ist unklar, aus welchem Material der Brunnenschacht bestand. Guckenbiehl vermutet, dass der Brunnengräber Holz verwendet hat. Das sei üblich gewesen, sagt er. Doch sicher ist das nicht, denn von dem Material des Schachts ist nichts mehr vorhanden. Zudem hat Guckenbiehl bei der Grabung auch Erdverfärbungen entdeckt, die anzeigen, dass dort Hauspfosten gewesen sind. Ob diese aber in die Zeit des Brunnens gehören oder zu einer späteren Siedlung, das kann Guckenbiehl nicht beantworten.

Den neuen Fund hat der Archäologe auch festgehalten. Auf dem Laptop zeigt er eine Karte von Germering, die sämtliche archäologischen Fundorte enthält, egal ob sie auf eine Besiedelung in der Steinzeit, in der römischen Epoche oder im frühen Mittelalter hinweisen. Die Karte zeigt eine große Anzahl von Funden, ist aber bruchstückhaft. Denn nach Zeugnissen alter Ansiedlungen wird nur gegraben, wenn es eine Baustelle gibt, wie im Fall des Brunnenfundes aus der Glockenbecherzeit. Der stammt von einem Grundstück, auf dem ein Haus aus den Dreißigerjahren stand. Jetzt wird dort neu gebaut. Doch dass Häuser aus den Nachkriegsjahren weggerissen werden, kommt nicht oft vor, archäologische Schätze im Boden bleiben deshalb unerkannt.

Guckenbiehl selbst hat in den vergangenen Jahren an verschiedenen Orten in Germering den Boden auf Relikte aus der Vergangenheit untersucht, so am Kleinen Stachus oder an der Münchener Straße, wo das neue Einkaufszentrum entstanden ist. Jetzt ist es Zeit, die Funde auch auszuwerten und im Museum zu präsentieren. Mit den Grabungen auf Grundstücken, die neu bebaut werden, sei er gut ausgelastet, sagt der Archäologe zur Begründung, weshalb er nicht an weiteren Orten den Boden untersucht. Aber noch aus einem anderen Grund bleiben mögliche Funde in der Erde. Die Methoden zur Auswertung verbessern sich kontinuierlich. Ein Fund kann der Forschung deshalb in ein paar Jahren voraussichtlich mehr sagen, als er das heute tut. Deshalb ist es richtig, Grabungen aufzuschieben.

Die Germeringer müssen allerdings nicht erst einen Blick auf Guckenbiehls Laptop werfen, um Fundorte im Stadtgebiet kennen zu lernen. Ein paar markierte Bodendenkmale gibt es bereits, so in der Augsburger Straße. Aus Anlass der Stadterhebung vor 25 Jahren werden nun weitere Fundorte mit Schildern gekennzeichnet. Germering erhält einen historisch-archäologischen Rundweg. Vorgestellt wird dieser bei einer Radtour am Samstag, 16. April.

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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