Well-Brüder:Außer Rand und Band

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Die drei Well-Brüder Karl, Michael und Stofferl glänzen als virtuose Musiker mit hinterfozigen Gstanzeln. (Foto: Günther Reger)

Frech und Boshaft wie immer begeistern Gerhard Polt und die Well-Brüder in Germering

Von Edith Schmied, Germering

Wer am Ende dieses Abends nicht vor Begeisterung aufspringt, klatscht, johlt und die unsinnigsten Refrains mitjubelt, dem ist nicht mehr zu helfen. Der hat keinen Sinn für Humor. Na ja, zumindest nicht für die Art von Scherzen, wie sie Gerhard Polt und die Well Brüder aus'm Biermoos fast drei Stunden lang in die Germeringer Stadthalle hinaus feuern. Mit den Nummern 12 (Karl), 13 (Michael) und 14 (Christoph, vulgo Stofferl) aus der Musikerdynastie Well setzt Polt die Tradition fort, die er über Jahrzehnte mit der mittlerweile aufgelösten Biermösl Blosn erfolgreich pflegte. Eine kreative Allianz war das, die jedweder Art von Volks- und Bayerntümelei mit einer unglaublichen Mischung aus Frechheit, Bosheit und Anarchie den Kampf ansagte. Politisch gesehen hatten sie mit Vorliebe den schwarzen Kontinent, das CSU regierte Bayern, im Visier. Daran hat sich nichts geändert.

Allerdings drängt sich die Frage auf: Kann es da noch irgendetwas Neues geben? Ist nicht schon alles gesagt? Keineswegs. Für Nachschub sorgen aktuelle Missstände, die Kirche, die Politiker sowieso, und lifestylemäßig gibt es auch allerhand Skurriles, das die Gruppe herrlich respektlos auf den Punkt bringt. Von Polt selbst kann man ohnehin nicht genug kriegen. Dazu die hinterfotzigen Gstanzln der Well Brüder, das ist eine Klasse für sich. Die Virtuosität, mit der sie die ganze Palette von Instrumenten bedienen, ist ohnehin legendär. Zum Beispiel das Alphorn. Dem ansonsten eher dröge vor sich hinbrummenden Gerät entlocken die Drei ein Medley durch alle musikalischen Stilrichtungen.

Knackige Texte ergänzen bestechende schauspielerische Leistungen. Polt hat den ruhigen Part als geerdeter Bayer, der allem Firlefanz trotzt. Am liebsten mit eingestreuten, sehr bayerisch gefärbten Anglizismen, die Weltoffenheit signalisieren. Dass Begriffe wie "SUV" dann eher nach "Suff" klingen, macht es umso spannender. Als Opa erklärt er seinem Enkel die "Tschallafisten" und weist ihm den Weg in die lupenreine Demokratie. Als Landrat und Weingenießer lästert er über Kaulquappen-Nummerierer vom Naturschutz und preist die Qualitäten des örtlichen Sparkassendirektors, "ein Rohdiamant". Die Erkenntnis, "der Mensch an sich ist gut, nur die Leut' san a Gsindl" erfüllt der Landrat selbst mit Leben. Besonders amüsant ist es, wenn er als Pfarrer sein Rezept zur Rechristianisierung der verwaisten Kirchen preisgibt. Bei der letzten Zugabe kommt der ansonsten sehr bedächtig wirkende Polt in Stimmung. Er gurrt und tiriliert wie ein Zeiserl, entledigt sich mit elegantem Hüftschwung seines Sakkos.

Für freche Gstanzln sind die Well Brüder zuständig, die die vergangenen 50 Jahre im Schnelldurchgang abhandeln. Der Zuschauer erfährt, wie's beim Feuerwehrjubiläum rundgeht und kommt in den Genuss der "Zuchtperlen der Volksmusik". Dazu gehört Stofferl als hinreißender Schuhplattler, Michael, orientalisch angehaucht, und Michael als Highlanddancer. Die Vielfalt von Harfe, Flöte, Gitarre und Drehleier demonstriert das Trio mit einem zunächst melodiösen Stück, das im rasanter werdendem Tempo fast außer Rand und Band gerät. Das heimatlich-ländliche Umfeld prägt viele der Lieder und Texte. Der faire Milchpreis, nicht unbedingt ein Thema für Witze, wird zum ausufernden Gangster-Rap. Stofferl, Lederhose auf Halbmast, Strickmütze auf dem Kopf, fordert in einem sich steigernden Stakkato "40 Cent", "oder der Audi, der Aldi, der Müller Milch oder ganz Bayern brennt". Das einzige, was an dem Abend brannte, war das Publikum. Es brüllte den Refrain eines afrikanischen "Earwurm" bereitwillig mit. Polt hatte ihn angestimmt, "wenn's unbedingt singen wollts".

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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