Germering:Applaus für den Mann der Zahlen

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Abschied im Stadtrat: Kämmerer Günther Gaillinger mit Ehefrau Regina Gaillinger und Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas (hinten). (Foto: Carmen Voxbrunner)

Nach 38 Jahren Dienst in der Kämmerei wird Günther Gaillinger mit viel Lob vom Germeringer Stadtrat verabschiedet

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Lange und viele Lobreden sind Günter Gaillinger eher peinlich, manchmal auch zuwider. Das konnte man in vielen Jahren beobachten, wenn die Fraktionssprecher ihre Haushaltsreden hielten und dem Germeringer Kämmerer für sein vorgelegtes Zahlenwerk dankten. Ein ehemaliger Stadtrat der Republikaner verstieg sich sogar einmal zur Anrede "Baron". Aber diesmal hatten die Lobreden einen anderen Grund: Es ging nicht um einen neuen Haushalt, sondern um den Abschied. Gaillinger geht in den Ruhestand. Pensionierung nach 38 Jahren in Germering. Da wirkte auch der "Mann der Zahlen" ergriffen. Besonders als der gesamte Stadtrat sich erhob und ihn eine halbe Minute lang beklatschte. Gaillingers Blick streifte währenddessen zu seiner Frau Regina, die hinten im Zuschauerraum saß und sich mit ihrem Ehemann freute.

Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) hielt vor dem Applaus eine längere Laudatio auf Gaillinger. Auch er ging mit dem Kämmerer eine längere Wegstrecke gemeinsam, erst als Stadtrat und seit 2008 als Oberbürgermeister. "Für ihn gab es nicht den Satz: 'Es geht nicht'", sagte Haas bewundernd. "Seine Antwort war immer: 'Wir brauchen eine Lösung'." Germering taumelte mehrere Male am finanziellen Abgrund entlang. Eine ganz schwierige Phase war die zwischen 2002 und 2005. "In dieser Schärfe gab es das noch nie", sagte Gaillinger damals. Er hatte für den Stadtrat ein Sanierungskonzept entworfen, das schmerzlich gewesen war, aber nach drei Jahren Erfolge zeitigte. Doch die Stadt musste unter anderem einen Großteil ihrer Wohnungen verkaufen und hat deshalb heute kaum noch Einfluss auf den Mietpreis in Germering.

Die kostspieligen Investitionen der Stadt, die für den damaligen hohen Schuldenstand verantwortlich waren, fand Gaillinger richtig. Stadthalle, Bibliothek sowie Schwimmbäder und Freizeiteinrichtungen verschlingen weiterhin Millionensummen, aber der Kämmerer hielt diese Infrastruktur in Germering immer für wertvoll und identitätsstiftend. "Die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger müssen wir abdecken", sagte Gaillinger dazu, wenn man ihn danach fragte.

Günter Gaillinger war berufsmäßiger Stadtrat. Alle sechs Jahre muss er vom Stadtrat wieder bestellt werden. Der gelernte Diplom-Finanzwirt hat sein berufliches Leben komplett im Germeringer Rathaus verbracht. "Die Entscheidung war richtig", bekräftigte er stets. Wichtig war dem Finanzchef immer die menschliche Komponente im Umgang mit den Kollegen, aber auch mit den Hunderten Stadträten, die Gaillinger erlebt hat. "Ich gehe nie mit einem dicken Hals in die Arbeit, und das ist für mich ganz entscheidend", bekräftigte Gaillinger einmal. Auch an seinem jeweils loyalen Verhältnis zu den Bürger- und Oberbürgermeistern ließ er nie einen Zweifel. Er erlebte Rudi Bay, Peter Braun und zuletzt Andreas Haas. "Es war schön, was sie alle gesagt haben. Das hat gut getan", begann der baldige Pensionist seine Erwiderung auf die vorangegangen Lobreden. "Sein Nachfolger René Mroncz konnte ihn viele Jahre als Leiter des Rechnungsprüfungsausschusses und als sein Stellvertreter begleiten. "Bringen Sie auch Herrn Mroncz das Vertrauen entgegen", appellierte Gaillinger in seiner Dankesrede an den Oberbürgermeister und die 40 Stadträte.

Zuvor hatte er von der CSU-Fraktionsvorsitzenden Manuela Kreuzmair in Namen des gesamten Stadtrates einen Reisegutschein für eine Kurzreise mit seiner Frau überreicht bekommen. "Eine Kurzreise muss man auch machen", meinte Kreuzmair noch nachdrücklich. Wusste sie doch, dass Gaillinger offenbar nicht so gerne verreist. "Den offenen Dialog und die Kritik des Stadtrates habe ich immer sehr geschätzt. Das hat mich weitergebracht", bekräftigte Gaillinger die gute Zusammenarbeit mit dem Stadtrat.

Auch nach der Verabschiedung ist für den 64-Jährigen noch nicht Schluss. Der "Zahlenfuchs, der im Dschungel des städtischen Haushalts zu Hause war", wie Oberbürgermeister Haas ihn beschrieb, bleibt noch bis 30. Dezember im Amt. Der Fuchs musste noch für ein von Haas vorgetragenes Sprichwort herhalten: "Es reicht nicht aus, ein Fuchs zu sein, man muss sich auch im Wald auskennen." Im Wald kennt sich Gaillinger gut aus. An seinem Wohnort Grafrath-Wildenroth hat er einst ein Waldstück erworben, indem er sich immer vom Stress im Germeringer Rathaus erholen konnte. "Ich muss mich geistig freischwimmen", kommentierte er diesen Stressausgleich vor einigen Jahren, "sonst wird man verrückt."

Gaillinger wird in Grafrath wohnen bleiben und keinen Zweitwohnsitz in Germering anmelden, auch wenn ihm seine Amtskollegen zum Abschied noch ein Formular zukommen ließen, indem er schon einmal scherzhaft zur Zahlung einer Zweitwohnungssteuer aufgefordert wurde. Einen letzten Appell hatte Gaillinger an den Stadtrat parat: "Schauen's bitte immer auch aufs Geld."

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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