Germering:Am Coach-Tisch

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Wenn der Sohn anders ist: Daniel dell Aquia als Norman und Willi Hörmann als sein Vater bei der Premerie im Roßstall-Theater. (Foto: Günther Reger)

Germeringer Roßstall-Theater inszeniert "Norman, bis Du es?"

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Das Outing ist nach wie vor keine einfache Sache. So witzig und originell wie auf der Bühne des Germeringer Roßstall-Theaters in der Komödie "Norman, bist du es?" passiert das sicherlich selten. Tom Fröhlich (Alexander Schleißinger) übernimmt das Outing gegenüber Bernhard Wolters (Willi Hörmann), dem Vater seines Freundes Norman. Tom überreicht dem verstörten Vater dazu noch seine Visitenkarte. "Wenn Sie damit Probleme haben, hier ist meine Karte", fügt er in der Rolle des Familientherapeuten hinzu und das Publikum im voll besetzten Theater amüsiert sich nicht das einzige Mal.

Der Situationskomik sind damit alle Türen geöffnet. Die begann schon mit dem unverhofften Erscheinen des Vaters bei seinem Sohn. Der klingelt ihn und Tom aus dem Bett. Das schwule Paar teilt sich einen roten Pyjama, der eine hat die Hose an, der andere das Oberteil. Vater Bernhard ist gekommen, um sich den Frust von der Seele zu reden. Voller Selbstmitleid jammert er vor sich hin, weil sein Bruder mit seiner Frau Bettina (Gabriele Misch) durchgebrannt ist. Norman (Daniel dell Aquia) hat seinem Vater von seiner Homosexualität nie etwas erzählt. Der will ihn jetzt wieder auf den "richtigen Weg" führen und schleppt für ihn die Prostituierte Babsi (Daniela Ackermann) an.

Norman nimmt Reißaus und überlässt Tom die Therapie des Vaters. "Sie brauchen eine Gruppentherapie", sagt er zum Vater, "Sie mit einem Haufen Therapeuten." Alexander Schleißinger, immer mit Notizblock unterwegs, weiß, wie ein Familientherapeut agieren muss, ist doch Bernhard Wolters ein wirklich schwieriger Fall.

Das Stück von Ron Clark und Sam Bobrick wurde erstmals 1970 in New York uraufgeführt. In einer Zeit, in der noch alle Klischees über Homosexuelle verbreitet wurden.

Willi Hörmann gelingt es in seiner Rolle als Vater Bernhard Wolters die damals und auch noch heute vorhandenen Vorurteile komplett anzusprechen. Neben einem schwulen Outing kommen noch die Themen Ehebruch, Prostitution und elterliche Einmischung auf den Coach-Tisch. Da hätte es auch peinlich und klischeehaft werden können. Doch selbst die väterlichen Rettungsversuche, die ziemlich daneben sind, lassen den "alten Herrn" nie lächerlich erscheinen; stärker als alle Unbeholfenheit scheint hier die väterliche Liebe durch.

Willi Hörmann, der immer so viel freundlich-ironische Distanz zur dargestellten Figur behält, dass selbst wütende Würgeszenen noch charmant wirken und das Publikum erheitern, spielt den verzweifelten Vater großartig, ohne Herablassung. Hörmann hat zudem mit seinem Bühnenbild den spieltechnisch genialen und atmosphärisch liebevollen Rahmen geschaffen.

So zahlreich wie die Pointen sind die Lacher - schade, dass einige Textstellen verloren gingen, weil in das Publikumslachen hineingesprochen wurde.

Daniel dell Aquia war nach seinem Klinikaufenthalt und der dadurch verschobenen Premiere in der Rolle des sensiblen Norman, der an seinem Vater verzweifelt, wieder voll angekommen. Daniela Ackermann als Prostituierte Babsi strahlt so viel freundliche Naivität aus, dass selbst diejenigen lachen konnten, die sich der brisanten Thematik durchaus bewusst sind.

Gabriele Misch, die die vorübergehend treulose Ehefrau spielt, ist kaum aus der Ruhe zu bringen und reagiert auf schockierende Nachrichten wie auf zärtliche Wiederannäherung ihres unverbesserlichen Mannes gleichmäßig unterkühlt.

Die fünf Schauspieler, unter der Regie und eindrucksvoll in Szene gesetzt von Oliver Kübrich, wurde von den Premierenbesuchern zurecht lange beklatscht.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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