Gelungene Inkulsion:Verständigung mit Händen und Füßen

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Seit 15 Jahren arbeitet Michael Greindlbei Cewe Color in Germering. Probleme, sich in die verschiedenen Abteilungen zu integrieren, gab es nie. (Foto: Günther Reger)

Michael Greindl meistert als Gehörloser den Arbeitsalltag bei Cewe Color in Germering

Von Julia Kiemer, Germering

Auf den ersten Blick scheint Michael Greindl sich nicht von seinen Kollegen zu unterscheiden. Ganz routiniert scannt der Mann im roten T-Shirt die Fototasche und steckt sie anschließend in das Fach, wo das Licht aufleuchtet. Wenn er dieProdukte - manchmal sind es nur Fotos, manchmal auch bedruckte Tassen oder ähnliches - verpackt hat, sortiert er sie auf die bereitstehenden Wagen. Greindl unterscheidet sich aber dennoch von vielen der Mitarbeiter bei Cewe Color: Er ist seit seiner Geburt gehörlos und kann deshalb auch nichts sprechen. Mit seiner Behinderung ist der 49-Jährige im Unternehmen aber nicht alleine. Etwa 20 Menschen mit Schwerbehinderung arbeiten dort in den verschiedenen Abteilungen. "Bei uns arbeiten nicht nur Gehörlose, sondern auch Menschen mit anderen Schwerbehinderungen, etwa Gehbehinderte oder psychisch Erkrankte", so Susanne Augenthaler, die Vorsitzende der Schwerbehindertenvertretung im Betriebsrat. Es werde insgesamt viel Wert darauf gelegt, sie in den Arbeitsalltag zu integrieren. Man nehme zwar Rücksicht, aber trotzdem würden die Schwerbehinderten als wie alle anderen Mitarbeiter behandelt werden.

Seit über 15 Jahren ist Greindl mittlerweile bei Cewe Color beschäftigt und hat dabei schon einige der Abteilungen durchlaufen. Derzeit arbeitet der 49-Jährige im Versand. Es scheint ihm an seinem Arbeitsplatz zu gefallen, denn er hält den Daumen hoch und grinst, als er nach seiner Zufriedenheit gefragt wird. Aber man sieht Greindl auch an, dass er dazu gehört und zufrieden ist. Wenn er Kollegen begegnet, grinst er, winkt und bekommt einen Gruß oder ein Lächeln zurück. Auch auf die Frage, ob er sich mit seinen Kollegen gut verstehe, nickt er eifrig und zeigt beide Daumen hoch. "Die anderen Mitarbeiter haben keine Scheu im Umgang mit ihm oder den anderen Schwerbehinderten", meint Augenthaler. Natürlich setze er sich auch manchmal in den Pausen mit anderen Gehörlosen zusammen, da sei die Kommunikation eben einfacher. Aber das sei nicht die Regel.

Um den zwanzig Menschen mit Schwerbehinderung den Arbeitsalltag zu erleichtern, wurden spezielle Vorkehrungen getroffen. Für die Gehörlosen wie Greindl etwa hat man an vielen Maschinen Leuchtsignale angebracht. Oder in der Toilette leuchtet dann zum Beispiel im Falle eines Feueralarms eine Signallampe. Bei Betriebsversammlungen ist zudem ein Gebärdensprachen-Dolmetscher anwesend, um sicherzustellen, dass alle der Versammlung folgen können. Der 49-Jährige kann zwar auch von den Lippen ablesen, aber das sei auf Dauer anstrengend. Im Arbeitsalltag gehören deshalb Hände und Füße zu alltäglichen Kommunikation. Seine Kollegen verbildlichen mit ihren Händen das Gesagte, Greindl liest ihnen ihre Worte von den Lippen ab. Und das funktioniert. Die Kommunikation zwischen ihm und seinen Kollegen klappt gut. Er weiß meist schnell, was man ihm sagen will und kann sich im Gegenzug mit seinen Händen und seiner Mimik auch ohne Gebärdensprachen-Dolmetscher gut ausdrücken.

Für das Engagement, Menschen wie Greindl mit ihrer Behinderung ein weitgehend normales Arbeitsleben zu ermöglichen, bekam der Cewe Standort Germering 2014 den bayerischen Integrationspreis "Joberfolg" verliehen. Zur Verleihung durfte der Greindl Geschäftsführer Stephan Reinhold begleiten. "Da war er natürlich ganz stolz, mit dabei sein zu können", erzählt Augenthaler.

© SZ vom 01.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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