Thomas Karmasin im Interview:"Wir alle wollen keinen Wildwuchs"

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Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Kommunalwahl, Windkraft, Flüchtlinge - drei Themen haben Landrat Thomas Karmasin 2014 besonders beschäftigt. Für heuer freut er sich auf so etwas ganz Normales wie einen Schulneubau.

Interview von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Für sich selbst teilt Landrat Thomas Karmasin das Jahr 2014 in drei Abschnitte. Drei Drittel, in denen sich für ihn persönlich und im Landkreis viel getan hat. Im Gespräch mit der SZ blickt der 52 Jahre CSU-Politiker zurück und wagt eine Vorausschau auf das kommenden politische Jahr.

SZ: Politisch und persönlich gesehen, haben Sie ein wichtiges Jahr erfolgreich hinter sich gebracht. Auf welchem Feld und zu welcher Zeit haben sie die meiste Kraft gebraucht?

Karmasin: Die meiste Kraft habe ich im Wahlkampf gebraucht. Es ist fast schon vergessen, dass die Kommunalwahl das bestimmende Thema bis März war. Ich habe mich an die Worte meines früheren Kollegen, des Dachauer Landrats Hansjörg Christmann, erinnert, der sagte, mit den Jahren nimmt man es nicht leichter. Ich finde auch, man darf die anstrengende Zeit des Wahlkampfs nicht unterschätzen. Nach der Wahl im März musste sich ab Mai der Kreistag zusammenfinden, es sind ja viele neue Kollegen hineingewählt worden. Da waren viele Gespräche nötig. Das war etwa das zweite Drittel des Jahres, und das dritte Drittel war sicher von den Flüchtlingen beherrscht. Da musste man am Anfang viel anschieben.

Sie sprechen dabei ihre Mitgliedschaft im Krisenstab Asyl der Staatsregierung an. Dort sind Sie näher an Informationen und Entscheidungen dran. Ist damit zu rechnen, dass der Flüchtlingsstrom nach Bayern lange andauert und die Gemeinden im Landkreis möglicherweise mehr Menschen aufnehmen müssen, als nach der derzeitigen Quote vorgesehen ist?

Ich bin in diesen Krisenstab aufgenommen worden, weil ich Vorsitzender der oberbayerischen Landräte bin. Das war in der Zeit, als es einen Ansturm auf die Erstaufnahmeeinrichtung in München gab und der Fliegerhorst als Außenstelle vorbereitet werden sollte. Ich finde es sehr interessant, dort die bayernweiten Überlegungen zu hören, die Erfahrungen von der Basis einzubringen und auch, wie staatliche und nicht staatliche Stellen in der Praxis zusammenarbeiten. Es sind derzeit 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Wenn sich die Politik deutschland-, europa-, ja weltweit nichts einfallen lässt, wird der Flüchtlingszustrom nicht von heute auf morgen stillstehen. Wenn also 2015 keine Maßnahmen ergriffen werden, warum soll der Zustrom dann 2016 aufhören?

Sie haben bei einer Infoveranstaltung in Eichenau gesagt, dass es für Sie keinen Unterschied mache, welches Motiv jemanden zur Flucht veranlasst hat. Aber viele Menschen beschäftigt das schon. Es ist zwar viel von Willkommenskultur die Rede, aber es gibt auch Kritik. Was aber werden Sie tun, falls die Stimmung in der Bevölkerung kippen sollte?

Ich sehe das differenziert: Staat und Gesellschaft, die sich für human halten, müssen Menschen generell gut behandeln, insbesondere die Menschenwürde beachten, auch wenn diese Menschen nach unserer Rechtsordnung letztlich nicht berechtigt bei uns sind. Mit moralischen Urteilen über Flüchtlinge bin ich persönlich sehr vorsichtig, denn es ist letztlich kein Unterschied, ob jemand flieht, weil er Angst hat, erschossen zu werden, oder ob er flieht, weil er Angst hat zu verhungern. Als Gesellschaft freilich werden wir uns entscheiden müssen, welche Fluchtgründe wir anerkennen und welche nicht, wenn wir der Ansicht sind, dass wir nicht alle 50 Millionen aufnehmen können. Derzeit erlebe ich eine stark ausgeprägte Willkommenskultur. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Meinung ändert, wenn die Zahl der Flüchtlinge so ansteigt, dass die Menschen nicht mehr integriert werden können oder wenn Flüchtlinge mit extremen Forderungen auftreten oder sich unverschämt verhalten, wie diejenigen am Sendlinger Tor in München.

Auf immer weniger Verständnis scheint ihre Energiewende-Politik zu stoßen. Das Protestpotenzial ist groß, eine gemeinsame Planung kaum mehr möglich. Wie wollen Sie weiter vorgehen, wenn wesentliche Elemente der Energiewende durch die Landes- und Bundespolitik verschlechtert werden?

Wir haben im Jahr 2014 eine wichtige Entscheidung getroffen, die Planung für die Windkraft, also den gemeinsamen Teilflächennutzungsplan Wind, nicht einfach in die Tonne zu treten. Die Bürgermeister wollen es weiterverfolgen. Wir alle wollen keinen Wildwuchs, die Bürgermeister und die Gemeinderäte sollen in die Lage versetzt werden, selbst zu planen und zu entscheiden, welche Standorte sie für Windkraftanlagen auswählen. Über das erste Windrad in Mammendorf habe ich mich sehr gefreut, und als ich davor stand, auch nichts gehört. Wenn mal ein, zwei weitere stehen, wird man sehen, dass ist hier kein Teufelszeug, sondern die einzige Möglichkeit, unser Ziel der Energiewende im Landkreis zu schaffen. Bei der Einsparung von Energie haben wir keine nennenswerten Erfolge. Um die Energiewende zu schaffen, müssten wir mindestens 50 Prozent einsparen. Das ist nicht möglich, momentan sehe ich noch keine zehn Prozent. Also, wenn wir nicht einsparen wollen, dann müssen wir produzieren. Und das geht nur mit Windkraft.

Auf was freuen Sie sich 2015 am meisten?

Ich freue mich darauf, mal wieder ein klassisches Thema der kommunalen Selbstverwaltung anzugehen, nämlich den Neubau der Berufsschule im Landkreis. Wir werden weitere Entscheidungen treffen, um den Neubau, der einige Jahre dauern wird, auf den Weg zu bringen. Da die Schullandschaft immer in Bewegung ist, wird es auch um die Erweiterung der Fos/Bos gehen, womöglich gar um neue Standorte. Das Thema Schulen hört nie auf, ist man mit der Renovierung der einen gerade fertig, fängt es bei der nächsten gleich wieder an.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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