Fürstenfeldbruck:Wie die Nazis die Wälder ausbeuteten

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Holz spielte während des Zweiten Weltkriegs eine große Rolle. Entsprechend viel Fläche des Brucker Forstes ging verloren. Die Förster unterstützten das: Keine Berufsgruppe war stärker in der NSDAP vertreten als sie

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Brucker Fliegerhorst hatte als eine von vier "Luftkriegsschulen" höchste Bedeutung für den Eroberungs- und Vernichtungskrieg des NS-Staates. Maisacher Bauern mussten dafür 1935 Äcker und Wiesen hergeben sowie ein großes Waldstück, in dem die heute denkmalgeschützten Gebäude wie der Kilometerbau stehen. Viele Bäume blieben stehen, weil sie der Tarnung dienten. 1941 wurde das Areal erweitert. Hermann Göring griff persönlich ein. Als Reichsmarschall für die Luftwaffe zuständig, nahm er den Bauern das Land, und sorgte als Reichsforstmeister dafür, dass dies auf Kosten Dritter geschah. Die Bauern sollten mit Parzellen aus den Pfarrwäldern von Maisach und Malching sowie dem Gut Lotzbeck in Nannhofen abgefunden werden.

Der Vorgang ist typisch für die Forstpolitik der Nationalsozialisten. In keiner Phase der Neuzeit ging im Landkreis mehr Wald in kürzerer Zeit verloren. Die NS-Propaganda stilisierte die Deutschen zum Waldvolk und den Wald zum Vorbild für Volksgemeinschaft, Führerprinzip und rassistische Auslese von angeblich Minderwertigen. Slawen und Juden diffamierten die Nazis als Steppen- und Wüstenvölker und darum Waldvernichter. Sie versprachen eine "naturgemäße Waldbewirtschaftung" anstelle eines als jüdisch-kapitalistisch geschmähten Raubbaus. Im Mittelpunkt von Gesetzgebung und Realpolitik standen hingegen ökonomische Verwertung, Kriegsvorbereitung und Kriegführung. Im November 1933 besuchte der bayerische Ministerpräsident den Staatswald in Bruck und Grafrath. Staatliche Forstverwaltung bedeute "die intensivste Benutzung des Waldes", betonte Ludwig Siebert. "Dass der Wald eines der wertvollsten Besitztümer der deutschen Nation ist, das wird sich jetzt bei der Durchführung des neuen Vierjahresplanes des Führers deutlich genug herausstellen."

Die vorgesetzten Stellen wiesen die Förster dauernd an, mehr Bäume fällen zu lassen, um die Kriegswirtschaft zu stärken. Insgesamt stieg der Einschlag in Deutschland während der NS-Zeit um 50 Prozent. Die Reglementierung der Privatwaldbesitzer wurde immer weiter ausgedehnt. 1934 wurden im Brucker Staatsforst über 13 000 Festmeter Holz geschlagen, eine Zunahme von 3075 Festmeter gegenüber dem Vorjahr. Für 1936 war ein Einschlag von 15 300 Festmeter vorgesehen. In der ersten Phase des Krieges musste der Einschlag nicht weiter erhöht werden, weil die Wälder der überfallenen und besetzten Länder von den Deutschen geplündert wurden. Nach den Niederlagen in der zweiten Kriegshälfte verlangte das Regime wieder mehr Holz aus dem Inland. Entsprechend wurde der Einschlag im Brucker Staatswald gegenüber der Aufrüstungsphase mehr als verdoppelt. 1943 wurden rund 32 000 Festmeter gefällt. Dem Forstamt Fürstenfeldbruck unterstand 1933 eine Fläche von mehr als 2200 Hektar, von denen rund 1850 Hektar als Wirtschaftswald genutzt wurden. Die Behörde war in die vier Bezirke Schöngeising-Nord, Schöngeising-Süd, Jesenwang und Althegnenberg eingeteilt, wobei Schöngeising-Nord mit über 900 Hektar die größte Fläche aufwies.

Neben der Ausbeutung der Holzvorräte litten die Wälder unter der Inanspruchnahme von Militär und Polizei. Vergleichsweise Peanuts waren die 0,4 Hektar, die das Forstamt 1938 der Polizeioffizierschule überließ, die in der Rothschwaige auf 2,4 Hektar einen Schießplatz eingerichtet hatte. Zwei Jahre später musste das Forstamt allerdings eine Fläche von 13,6 Hektar im Bezirk Schöngeising-Nord an die Polizeioffizierschule für einen Hundeübungsplatz abtreten. Der schnelle Vormarsch der amerikanischen Truppen verhinderte weitere Flächenverluste. Noch im März 1945 plante die Reichsbahn ein provisorisches Ausbesserungswerk für Lokomotiven nordwestlich von Haspelmoor anzulegen. Im Herbst 1944 errichteten Arbeiter der Organisation Todt bei Geltendorf ein Barackenlager. In den Wäldern zwischen Geltendorf, Türkenfeld, Jesenwang und Dünzelbach wurden Standorte für eine "Waldfertigung" von Kampfflugzeugen für die Dornierwerke in Neuaubing gesucht. Vorgesehen waren vier Werke auf einer Gesamtfläche von 20 000 Quadratmeter. Die Fabriken in den Wäldern sollten durch eine Baubrigade der SS sowie KZ-Häftlinge errichtet werden. Für die Fertigung waren bis zu 3000 Personen, überwiegend KZ-Häftlinge, vorgesehen.

Keine Berufsgruppe war stärker in der NSDAP vertreten als die Förster. Etwa 90 Prozent der Forstbeamten traten der Partei bei. Dass nicht bloß Angst um den Job eine Rolle spielte, kann man daraus ersehen, dass es bei den Forstleuten im Privatwald 78 Prozent waren. Im Brucker Forstamt war lediglich Alwin Lindner, der die Behörde bis zur Pensionierung 1940 leitete, kein Parteigenosse. Sein Nachfolger Fritz Backmund stellte 1937 einen Aufnahmeantrag. Bis dahin galt ein Aufnahmestopp, weil die NSDAP sich gegen die Flut der Opportunisten abschotten wollte. "Seine politische Einstellung ist einwandfrei", schrieb der NSDAP-Kreisleiter Franz Emmer. Die amerikanische Militärregierung verfügte im Juli 1945 seine Entlassung, allerdings war Backmund wenige Monate später wieder im Einsatz. 1957 bekam er eine außerordentliche Professur an der Staatswirtschaftlichen Fakultät. Backmunds Nachfolger Ludwig Fleischer war Mitglied des NS-Studentenbundes und der SA sowie Anwärter der SS. Bereits am 1. September 1930 trat Fleischer der NSDAP bei, wurde allerdings wegen unbekannten Aufenthalts 1932 wieder gestrichen. Im Frühjahr 1935 bemühte sich Fleischer um Anerkennung als Altparteigenosse. Dem Obersten Parteigericht schrieb er: "Ideell und materiell stand ich im Kampfe für die Ideenwelt unseres Führers, seit ich im Jahre 1927 als Student auf die Forsthochschule nach München kam." Dreizehn Parteigenossen zeugten für seinen frühen Eintritt, sechs davon Förster. 1937 durfte Fleischer in die Partei zurückkehren. 1948 bekam er die Leitung des Forstamtes Rosenheim, ein Jahr später wurde er als Amtsverweser nach Bruck versetzt, dessen Leitung er 1950 übernahm. Der Leiter der Außenstelle Haspelmoor, Siegfried Hagspiel, trat zum 1. Mai 1933 der NSDAP bei. 1943 wurde Hagspiel zum Ortsgruppenamtsleiter der NSDAP in Althegnenberg ernannt. Die Amerikaner entließen Hagspiel. 1948 kam er in den Genuss der Weihnachtsamnestie und kehrte nach Haspelmoor zurück, wo er zum Oberforstwart befördert und Beamter auf Lebenszeit wurde.

Der Reichsarbeitsdienst war seit 1932 im Brucker Staatswald im Einsatz, baute Wege und pflanzte neue Bäume an. Ende 1933 bilanzierte das Forstamt den Einsatz von 100 Männern und 33 Frauen. Im Haspelmoor hoben Arbeiter Entwässerungsgräben aus und vertieften Kanäle. Das Forstamt rügte eine "vollkommen unzulängliche Unterbringung" sowie die "geringe Eignung vieler Leute für die nasse und verhältnismäßig schwere Arbeit im Moor", was zu einem hohen Krankenstand geführt habe. Für 1934 und 1935 wurden weitere Maßnahmen bei Jesenwang und Schöngeising geplant, die Verbindungsstraße nach Rothschwaige sollte verbreitert werden, um Arbeitern und Bauern, die Fuhrdienste verrichteten, ein Einkommen zu verschaffen. 1939 und 1940 wurde der Reichsarbeitsdienst zu Aufräumarbeiten nach Schnee- und Windbruch eingesetzt.

Die Waldarbeiter, meist Holzfäller, waren in der Regel Kleinbauern aus umliegenden Dörfern. Aus dem steigenden Einschlag kann man schließen, dass ihre Zahl in der NS-Zeit zunahm. 1928 waren 44 Arbeiter beschäftigt und 1943 insgesamt 83, davon 29 Frauen, plus zwölf Kriegsgefangene. Alle Waldarbeiter mussten im Sommer 1933 versichern, nicht der Kommunistischen Partei angehört zu haben. Im Frühjahr 1937 wurden die Arbeiter auf Adolf Hitler vereidigt. Zwei Waldarbeiter traten am 1. Mai 1933 der Nazipartei bei, einer aus Adelshofen gehörte seit Ende 1931 der NSDAP und der SA an. Seine Einstellung beim Forstamt wurde vom Kreisgeschäftsführer der NSDAP im Oktober 1933 "wärmstens" empfohlen.

Während des Zweiten Weltkrieges waren Zwangsarbeiter im Forst eingesetzt. Ihre Zahl lässt sich schwer ermitteln, weil Unterlagen fehlen. 1944 waren es acht "Ostarbeiter" und Polen. Für das Wirtschaftsjahr 1944/45 meldete das Forstamt einen Bedarf von 50 "Umsetzungskräften" an, gemeint waren Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene die von Bauernhöfen in den Wald "umgesetzt" werden sollten. 1940 fällten französische und polnische Kriegsgefangene Bäume, arbeiteten im Haspelmoor und mussten nach einem Sturm im Wald bei Althegnenberg aufräumen. Ihnen fehlte es an Handschuhen, Schuhen und Stiefeln. Das Reichsarbeitsministerium verlangte Akkordarbeit und wies an, 80 Prozent der Löhne an die Wehrmacht zu überweisen.

Nach Kriegsende mussten bis zu 70 wegen NS-Betätigung Internierte aus dem Lager Moosburg im Brucker Forst arbeiten. Unter ihnen befand sich Andreas Stihl, Erfinder der Motorsäge, der in der Werkstatt für Motorsägen Geräte reparierte.

Das Jexhofmuseum Schöngeising zeigt eine Sonderausstellung unter dem Titel "Der Wald im Brucker Land. Forst-Jagd-Natur": 6. Juni bis 2. November, Dienstag bis Samstag 13 bis 17 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 bis 18 Uhr geöffnet, Montag ist Ruhetag.

© SZ vom 07.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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