Fürstenfeldbruck:Verhängnisvolle Diagnose

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Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck setzt den Prozess gegen eine Radiologin wegen fahrlässiger Tötung aus

Nach gut einer Stunde Verhandlung war klar, dass noch gar nichts klar ist. Die Anwälte der 49-jährigen Angeklagten forderten eine Einstellung des Verfahrens, die Staatsanwältin bestand darauf, es fortsetzen, und Richter Johann Steigmayer sprach von einer "unglücklichen Konstellation", da die Schriftsätze der Verteidigung spät eingegangen sind und der Sachberater der Staatsanwaltschaft im Urlaub weilt. Also entschied er, die Verhandlung auszusetzen, um der Verteidigung die Möglichkeit zu geben, Kontakt mit der Staatsanwaltschaft München II aufzunehmen. Wann und ob der Prozess fortgesetzt wird, ist offen.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 49-jährigen Radiologin der Kreisklinik vor, durch die falsche Auswertung der Bilder einer Computertomografie für den Tod einer Seniorin verantwortlich zu sein. Die Frau war am 15. April 2014 mit dem Rad in Gröbenzell gestürzt und wurde gegen 18 Uhr mit dem Rettungswagen in die Klinik gefahren. Um 18.39 Uhr untersuchte die Radiologin die CT-Bilder von zu Hause aus und kam nach Angaben der Staatsanwältin zu dem Ergebnis, dass keine Hirnblutung, kein erhöhter Hirndruck und keine Fraktur vorlägen. Später schaute sie sich die Bilder noch einmal an und gab ihren Kollegen im Klinikum um 21.56 Uhr eine neue Diagnose durch, derzufolge es doch eine kleine Blutung geben könne. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits entlassen. Am nächsten Tag wurde sie mit einem Schädel-Hirn-Trauma tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Das hätte, so die Staatsanwältin, verhindert werden können, wenn die Ärztin ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen wäre.

Die Angeklagte wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen, allerdings verlas einer ihrer beiden Anwälte eine Erklärung. Seiner Meinung nach war der Falschbefund nicht ursächlich für den Tod, da die Frau, die mit dem Blutverdünner Marcumar behandelt wurde, zwingend hätte stationär aufgenommen werden müssen. Außerdem seien Ermittlungen gegen die entlassende Ärztin eingestellt worden. Dem hielt Richter Steigmayer entgegen, dass mögliche spätere Fehlentscheidungen nicht die Kausalität der Schuld der Angeklagten aufheben. Außerdem sei die Einstellung der Ermittlungen gegen die andere Ärztin für diesen Prozess nicht relevant.

Die Anwälte gehen allerdings auch davon aus, dass die Patientin nach der Entlassung in ihrer Wohnung gestürzt ist und letztlich an den Folgen verstorben ist. Hinweise sehen sie darin, dass die Frau immer wieder wegen Kreislaufkollapsen behandelt wurde und dass sie mit Blutungen im Gesicht aufgefunden wurde, die nicht von der Hirnblutung stammen können. Für die Blutungen sah der medizinische Sachverständige keine Hinweise, allerdings konnte er anhand der zahlreichen Hämatome nicht ausschließen, dass die Frau tatsächlich noch einmal gestürzt war.

Auch Richter Steigmayer hielt einen häuslichen Sturz als Todesursache nicht mehr für ausgeschlossen. Außerdem erklärte er, dass er durchaus die Bemühungen der Radiologin anerkenne, die am nächsten Morgen bei Dienstantritt noch einmal darauf drang, die Patientin zu untersuchen. "Ich sehe schon, dass die Angeklagte sich eingesetzt hat und jetzt als Einzige geradestehen muss, obwohl sie vielleicht eine geringe Schuld trifft." Dennoch lehnte die Staatsanwältin eine Einstellung nach Paragraf 153 a Strafprozessordnung ab. Daraufhin entschied Steigmayer, den Prozess auszusetzen.

© SZ vom 07.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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