Tassilo-Kulturpreis der SZ:Traumwandlerische Teamarbeiterinnen

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Die Interaktion ist Eva von Seckendorff (links) und Angelika Mundorff wichtig. Deshalb gibt es überall etwas zu ausprobieren - etwa verschiedene historische Kopfbedeckungen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Angelika Mundorff und Eva von Seckendorff haben das Museum Fürstenfeldbruck über fast 20 Jahre gemeinsam zu einer überregional bedeutenden Institution gemacht. Nun geht diese Ära zu Ende

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es war ein wichtiges Zeichen an die Öffentlichkeit. Mit der erst einmal unscheinbar wirkenden Änderungen des Namens von Fürstenfeldbrucker Stadtmuseum in Museum Fürstenfeldbruck haben die Verantwortlichen vor knapp fünf Jahren manifestiert, was sie zuvor über viele Jahre hart erarbeitet haben.

Einen hervorrangenden Ruf, der weit über die Grenzen von Stadt und Landkreis hinausreicht. Seitdem hat sich dieser durch mehrere außerordentlich beachtenswerte Ausstellungen nur noch weiter verbessert. Zwei Namen sind es, die für diesen Erfolg stehen: Angelika Mundorff und Eva von Seckendorff. Offiziell gibt es zwar eine feste Hierarchie, die sagt das erstere die Museumsleiterin ist und zweitere ihre Stellvertreterin, in der Realität aber sind die beiden ein eingespieltes, gleichberechtigtes Gespann. Für die Entwicklung des musealen Kleinods auf dem Klostergelände sind die beiden nun für den Tassilo Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

Sowohl mit der beständig erweiterten und aktualisierten Dauerausstellung, den einzigartigen Sonderausstellungen wie auch mit dem museumspädagogischen Konzept und der Forschungsarbeit haben sich Mundorff, Seckendorff und ihr Team trotz der überschaubaren personellen und finanziellen Ressourcen und der ständigen Konkurrenz der vielen Münchner Institutionen einen fest Platz in der Elite der bayerischen Museen gesichert.

Mundorff leitet das Museum seit der Eröffnung 1991 und war schon vorher mit den Beständen befasst. Seckendorff ist 1999 dazu gestoßen. Nun endet diese gemeinsame Ära, im September geht Seckendorff in den Frühruhestand. Danach wird sie, wie sie bereits ankündigt, dem Museum weiterhin als freie Mitarbeiterin treu bleiben. Zeit also, Bilanz zu ziehen über eine fast 19-jährige Zusammenarbeit.

Ein Thema, das die beiden von Anfang an begleitet hat, sind die Frauen. Ein Feld, in dem Mundorff und Seckendorff viel Forschungsarbeit geleistet haben. "Wir konnten da einige Dinge ausräumen", erzählt Mundorff, "etwa die Behauptung, dass schon Anfang des 20. Jahrhundert Frauen an der Akademie studiert haben. Das stimmt einfach nicht, bis 1919 beziehungsweise 21 war es ihnen verboten". Die beiden wollten zeigen, dass es eben nicht so war, dass keine interessierten Frauen da waren, sondern dass ihnen politisch gewollt die Arbeit erschwert wurde. Mit einer Ausstellung über die Schöngeisinger Malerin Johanna Oppenheimer 1998 und einer reinen Künstlerinnenausstellung 2008 haben die beiden ihre Forschungen dann optisch präsentiert.

Doch auch mit den letzten Ausstellungen haben Mundorff und Seckendorff gezeigt, dass sie aktuell sind. Seit Oktober präsentieren sie grafische Arbeiten aus der Zeit von 1900 bis 1918. Holzschnitte sind ein Thema, dass heuer in vielen großen Deutschen Museum behandelt werden soll. Ganz neue Pfade haben sie in den vergangenen Jahren mit zwei Ausstellungen über Künstlerbücher und einer über die französische Graphzine-Szene, Ausdruck der jugendlichen Protestkultur im Frankreich der Siebzigerjahre, betreten. Ein Thema, das noch kein deutsches Museum aufgegriffen hat. In Fürstenfeldbruck aber hat der führende Graphzine-Künstler Stéphane Blanquet eine Installation präsentiert. Mit der Ausstellung über den bundesweit beachteten Brucker Maler Henrik Moor 2016 haben Mundorff und Seckendorff eine Forschungslücke geschlossen, erstmals eine vollständige Biografie zusammengetragen.

Aber nicht nur mit den Themen ihrer Ausstellungen bewegen sich die Museumsmacherinnen auf der Höhe der Zeit. Auch das komplette Konzept ist modern. "Wir wollen nur nicht Werke zeigen, sondern überlegen uns schon vorab eine Themenstellung, zu der wir dann passende Stücke auswählen". Diese werden dann mit hochwertigen, einordnenden Texten begleitet, mit einer durchdachten Farbgestaltung wird die richtige Atmosphäre geschaffen. Dazu gibt es interaktive Elemente. Doch damit ist die Arbeit nicht getan. Denn wie für die Dauerausstellung auch, entwickelt das Museum für jede Sonderausstellung ein pädagogisches Programm. Dazu gehört ein für jede Jahrgangsstufe an den Lehrplan angepasstes Konzept, mehr als 100 Klassen besuchen so jährlich die Einrichtung. Doch nicht nur Schüler sollen den Einstieg erleichtert bekommen. Immer wieder gibt es besondere Angebote, etwa für Demenzerkrankte oder Flüchtlinge. "Wir wollen ein möglichst niederschwelliges Angebot schaffen. Immerhin ist es ja nicht unser Museum, sondern das der Leute", sagt Mundorff.

Niederschwellig war immer auch die Zusammenarbeit der beiden untereinander und mit dem Team. "So etwas wie Macht gibt es bei uns nicht", drückt es Seckendorff aus. Geradezu traumwandlerisch sei die Zusammenarbeit. "Wir haben uns nie genau abgesprochen, immer nur den großen Rahmen festgelegt. Aber die eine hat immer genau das gemacht, was die andere gerade nicht gemacht hat. Es ist wirklich nur ganz selten vorgekommen, dass wir das Gleiche gemacht haben". Dieses blinde Vertrauen und das Verfolgen eines gemeinsamen Ziels sind es, die die Museumsarbeit von Mundorff und von Seckendorff über die Jahre so erfolgreich gemacht haben. Dazu kommt, dass sie das komplette Team, vom Restaurator über wissenschaftliche Fachkräfte und die Pädagogen bis hin zum Kassen- und Aufsichtspersonal mit einbinden. "Wir machen beispielsweise zu jeder Ausstellung eine Führung mit dem Aufsichtspersonal, damit es auf Fragen der Besucher eingehen kann." Durch diese Teamarbeit identifizierten sich alle mit dem Museum, zudem lasse es alle selbstbewusster auftreten. Probleme, so das Ziel, sollen im Dialog gelöst werden. Viel lieber als der Begriff Macht oder Hierarchie sei ihnen deshalb "Überblick", erklären die beiden.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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