Haushalt:Teure Obdachlosigkeit

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Kommunen müssen wohnungslose Menschen unterbringen. Ohne Hotels und Pensionen geht das oft nicht. Bruck zahlt pro Person und Monat bis zu 1863 Euro - mehr als zehn Mal so viel wie in eigenen Räumen an der Lände

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Für die Unterbringung von derzeit 102 obdachlosen Menschen zahlt die Kreisstadt nach Berechnung der SZ etwa 780 000 Euro im Jahr. Darauf lässt eine Aufstellung schließen, die am Montag dem Planungsausschuss vorgelegt worden ist. Vor allem eines wird dadurch klar: Die Stadt könnte sich etwa die Hälfte sparen, wenn sie die Menschen nicht in Pensionen und Hotels, sondern in eigenen Gebäuden unterbringen würde.

Für einen im Hotel Alpenglühen untergebrachten Obdachlosen zahlt die Stadt 1863 Euro pro Monat - wie in allen Fällen zuzüglich gut hundert Euro Verwaltungskosten. Mit 19 Personen ist die größte Gruppe in der Pension "Hotel am Horst" untergebracht - für monatlich 587 Euro pro Person. Es geht auch anders: In einer städtischen Unterkunft auf der Lände wohnen zwei Obdachlose für jeweils 120 Euro im Monat. Im Mittelfeld liegen angemietete Wohnungen und Häuser. So leben in einer Wohnung an der Buchenauer Straße vier Personen. Für jede zahlt die Stadt 240 Euro. Nicht berücksichtigt sind in der Liste 45 Bewohner der Asylbewerberunterkunft im Gewerbegebiet Hasenheide sowie etwa 20 in der Erstaufnahmestelle am Fliegerhorst. Sie sind als Asylbewerber anerkannt und müssten die Unterkünfte als "Fehlbeleger" eigentlich verlassen, um anderen Flüchtlingen Platz zu machen. Weil es für sie aussichtslos ist, eine Wohnung zu finden, werden sie in den Unterkünften weiter geduldet. Fürstenfeldbruck müsste sie sonst, ebenso wie alle anderen Obdachlosen, selbst unterbringen.

Vor allem eine Botschaft drängt sich bei der Lektüre der von Doreen Höltl vorgelegten Liste auf: Die Stadt benötigt ganz dringend Sozialwohnungen, vor allem solche, über deren Belegung sie selbst entscheiden kann.

Unter Politikern hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass es immens "wichtig ist, den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben" (Zweiter Bürgermeister Erich Raff, CSU). Eben jener geförderte Wohnungsbau befindet sich in der Kreisstadt freilich auf dem absteigenden Ast. Denn in der Regel läuft nach 25 Jahren die Bindungsfrist ab, dann können Immobilienbesitzer die einkommensabhängigen Mieten von teils nur fünf Euro pro Quadratmeter Schritt für Schritt bis aufs Marktniveau von mehr als zehn Euro anheben. Die Zahl der Sozialwohnungen in der Stadt ist von etwa 2000 in den Fünfzigerjahren kontinuierlich gesunken: 2006 waren es noch 920, 2013 ganze 599. Prognosen zufolge schrumpft sie bis zum Jahr 2022 auf 295 - sofern nicht gegengesteuert wird. Schon heute kann die Stadt etwa 250 Anträge auf eine Sozialwohnung mangels geeigneter Wohnungen nicht bewilligen.

Viele Jahre wurde in Bruck über die beste Strategie diskutiert. Mit Blick auf die defizitäre städtische Wohnbaugesellschaft, die 2010 abgewickelt worden war, stemmte sich vor allem die CSU lange gegen die von der SPD geforderte Wiederbelebung. Unter dem neuen Fraktionschef Andreas Lohde ist nun die Erkenntnis eingekehrt, dass Wohngeld die Wohnungsnot kaum lindert. Die Stadt will den Bau günstiger Mietwohnungen stärker in die eigene Hand nehmen und den Bestand der 70 eigenen Wohnungen über die zusätzlichen 30 im Bau befindlichen Einheiten an Sulzbogen und Parsevalstraße hinaus aufstocken. Etwa 30 Sozialwohnungen könnten auf einem städtischen Grundstück hinter der Polizei gebaut werden, weitere 18 über dem Neubau des Kinderhauses Nord. Bis zu 230 Menschen könnten in hundert Wohnungen unterkommen, sofern die Bundeswehr zwei der Sternbauten freimacht. Zudem soll auf einem städtischen Grundstück eine Unterkunft gebaut werden, die 80 Obdachlosen vorbehalten wäre - denn diese werden von Eigentümern privat gebauter Sozialwohnungen nicht immer als Mieter akzeptiert. Sozialwohnungen rechnen sich für Kommunen, weil sie Zuschüsse erhalten und die Differenz zum Marktniveau erstattet wird. Das Engagement privater Bauträger kann das freilich nicht ersetzen. Wer große Projekte realisiert, soll künftig verpflichtet werden, 40 Prozent im geförderten Wohnungsbau zu errichten.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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