Diskussion:Ringen um Anerkennung

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Auf dem Podium diskutieren (von linsk) Gunnar Wittig, Jürgen Enninger, Johannes Dobroschke und Michael Söndermann. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auch wenn die Kultur-und Kreativwirtschaft im Landkreis gut aufgestellt ist, so haben die Akteure ein Problem. Es geht ihnen um eine bessere Darstellung ihrer Arbeit, wenn nötig mit öffentlichen Auszeichnungen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Sie sind alle jung, stets hoch motiviert und vor Geistesblitzen sprühend - so stellt man sich die sogenannten Kreativen wohl vor. Ja, Junge sind auch unter ihnen, aber im Wesentlichen scheinen die Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft im Landkreis Fürstenfeldbruck in sich ruhende, mit vielen Ideen und Schaffenskraft gesegnete Menschen zu sein, die zur Gesamtwirtschaft des Landkreises einen Gutteil beitragen. Immerhin 8,8 Prozent, hat der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Michael Söndermann vom Büro für Kulturwirtschaftsforschung errechnet. Das ist schon klar über dem Bundesdurchschnitte von 7,6 Prozent und macht damit den sechsten Rang unter den Kommunen in der Metropolregion München aus.

Wow, würden die Kreativen wohl sagen, aber die Zahlen sprechen für sich: 210 Millionen Umsatz, 3790 Beschäftigte sind die jüngsten statistischen Angaben aus dem Jahr 2013 für den sogenannten Kernbereich. Der umfasst alle Firmen, die im Jahr mehr als 17 500 Euro Umsatz machen , alle, die weniger verdienen, gehören dem "Minibereich" an. Söndermann hat auch diese Zahlen erhoben, wonach diesem Bereich 1870 Kreative und Kulturschaffende angehören und einen Umsatz von 4,7 Millionen Euro machen.

Söndermann stellte seine Studie über die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft für den Landkreis bei einem Netzwerktreffen am Montagabend im Veranstaltungsforum vor. Es ist ein Zahlenwerk, das besonders das Regionalmarketing und die Wirtschaftsförderer im Landratsamt sowie den Kommunen interessiert, aber insgesamt Aufschluss gibt, in welchem der elf zur Kultur- und Kreativwirtschaft zählenden Bereich große Umsätze gemacht werden. Überlegungen, diesen Wirtschaftszweig zu fördern, gibt es bereits, wobei nicht finanzielle Unterstützung im Vordergrund zu stehen scheint.

Auch wenn die Landeshauptstadt München ein Tummelplatz für die sogenannten Kreativen aus Musik-, Buch- und Pressemarkt, aus Funk, film, darstellender Kunst und dem Werbemarkt sowie Architektur, Design, Software- und Games-Entwicklung ist, so leben und arbeiten doch auch viele in der Region München. Unternehmer wie Gunnar Wittig, der von Germering aus und mit fünf Beschäftigten in Büros in München und Hamburg mit seiner Firma Picture Front als Kommunikationsdienstleister tätig ist, findet in und um München sehr gutes Personal, wie er bei einer Podiumsdiskussion am Montagabend berichtete. "Es ist in meiner Branche egal, wo ich arbeite, wichtig ist die Vernetzung und die Sichtbarkeit der Firma." Damit meinte Wittig nicht finanzielle Förderprogramme, sondern die "Kuratierung" in der Öffentlichkeit: die Bewertung und Einschätzung der Leistungen von Kreativen durch Fachleute. "Das können auch die Wirtschaftsförderer sein", schlug Michael Söndermann vor.

Dass es nicht unbedingt viel Geld sein muss, das Kulturschaffende bei ihrer weiteren Entwicklung und ihren Zukunftsschritten benötigen, machte Johannes Dobroschke aus Schöngeising deutlich. Der Frontmann der Band Dobré sagte, dass ihm in der Anfangszeit der Verein Subkultur enorm geholfen habe: "Uns gäb's wahrscheinlich nicht", hätten er und seine Band nicht solche Auftrittsmöglichkeiten bekommen. "Die Langzeitwirkung ist nicht zu unterschätzen. Dobroschke, der sich selbst, wie er sagte, nie als Teil der Kreativwirtschaft gesehen habe, wünschte sich, dass der Landkreis einen Musikförderpreis stiftet.

Die Rahmenbedingungen, die im Kreis herrschen, um Firmen der Kultur- und Kreativwirtschaft anzusiedeln, sind, wie Gunnar Wittig ausführte, unter anderem niedrige Gewerbesteuersätze. Er habe Germering deshalb als Firmensitz gewählt. Zwar ist München für die Kultur- und Kreativwirtschaft wichtig, aber die Stadt schafft auch ein positives Umfeld. Im Kreis Fürstenfeldbruck sind es vorwiegend Software- und Spieleentwickler, die sich in dieser Aura wohl fühlen. Söndermann hat ermittelt, dass deren Firmen 20 Prozent der Firmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft ausmachen und 35 Prozent des Umsatzes erbringen. Unter die Rubrik Künstler und Kreative allgemein fallen 20 Prozent der Unternehmen, im Bereich Architektur und Design sind 13 Prozent zu finden, die Bereiche Buch/Presse sowie Werbung sind mit 13 sowie elf Prozent Anteil vertreten. Werbefirmen tragen mit zehn Prozent genauso viel zum Gesamtumsatz bei wie Architekten. Schlusslicht in der Statistik sind Designer mit sechs Prozent.

In Söndermanns Studie ist auch der Trend in der Kultur- und Kreativwirtschaft festgehalten, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sinkt. Statt dessen würden immer mehr freie Mitarbeiter beauftragt, oft auch nur für ein Projekt.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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