Geistiger Vorbereiter der Nazis:Pucher wollen Langbehnstraße behalten

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Der ehemalige Pucher Bürgermeister Franz-Josef Bauer sieht Langbehn als Teil der lokalen Überlieferung an: "Lassen Sie uns den Namen." (Foto: Johannes Simon)

Auf einer Bürgerversammlung verteidigen mehrere Redner den als antisemitisch geltenden Schriftsteller Julius Langbehn

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Seit 1969 wird der antisemitische Schriftsteller Julius Langbehn im Brucker Ortsteil Puch mit einem Straßennamen geehrt. Geht es nach der Mehrheit der etwa 70 Teilnehmer einer Bürgerversammlung, soll das auch so bleiben. "Langbehn ist im Dorf nicht nur ein Straßenname, sondern eine Institution. Lassen Sie uns den Namen", forderte Franz-Josef Bauer, letzter Bürgermeister des Dorfes vor der Eingemeindung, von den Stadträten, die am Dienstag ins Vereinsheim gekommen waren. Dessen Gedankengut scheint wenige zu stören. "Wenn Langbehn den Charakter eines Volkes aus der Rasse ableitet, frage ich mich, was soll daran falsch sein?", so Peter Freudenthal.

Der Arbeitskreis Straßennamen des Stadtrates hat eine Reihe von Namensgebern überprüft, die direkt durch die NS-Diktatur belastet sind oder als Vorläufer gelten. Einer davon ist Langbehn, dessen Buch "Der Rembrandtdeutsche" 1890 zum Bestseller wurde. Der Kultur- und Werkausschuss hat sich deshalb ebenso wie der Arbeitskreis einstimmig gegen diesen Straßenpatron ausgesprochen. Nun werden die Anwohner betroffener Straßen gehört.

In Puch sorgt die Debatte für einigen Unmut. Anwohner der Langbehnstraße haben mehr als hundert Unterschriften gesammelt. Ein anonymer Zettel landete in den Briefkästen. Darin wurde die Bevölkerung aufgefordert, zu der Versammlung zu kommen, um Langbehn zu verteidigen.

Die Veranstaltung eröffnete Bürgermeister Erich Raff (CSU) mit dem Bekenntnis, er sei gegen eine Umbenennung, bevor Stadtarchivar Gerhard Neumeier die Weltanschauung Langbehns schilderte. Der völkische Prophet lehnte die Demokratie ab und schwärmte von einem Ständestaat und einer "Sozialaristokratie". Er bekämpfte die moderne Gesellschaft und hasste als deren Verkörperung die Juden. Langbehn halluzinierte wie andere völkische Denker von Verfall und Degeneration und forderte eine rassische "Wiedergeburt" der Deutschen durch eine neue deutsche Kunst.

Was Langbehn direkt mit dem Nationalsozialismus verbindet und zu einem Vordenker macht, ist der Umstand, dass er nicht nur antisemitische Vorurteile hatte, sondern die Juden vertreiben und ausrotten wollte. Das war im späten 19. Jahrhundert in Deutschland nicht einmal unter Antisemiten Konsens. Gleichzeitig war aufgrund der Pogrome im zaristischen Russland klar, wie ernst solche Auffassungen gemeint sein konnten. Neumeier zitierte einschlägige Passagen Langbehns, in denen er die Juden als Fäulnis und Gift bezeichnet und ein "Blutbad" fordert.

Gegen diese Darstellung wandte sich eine Reihe von Rednern. Eine der Initiatorinnen der Unterschriftensammlung. Sylvia Tränkl, verlangte, einen Schlussstrich zu ziehen. Langbehn sei 1907 gestorben und habe mit den Nazis nichts zu tun. Altlandrat Gottfried Grimm (CSU) bezeichnete Neumeiers Darstellung als einseitig. Langbehn sei ein "Deutschnationaler" gewesen. Freudenthal bezeichnete Langbehn als "Naturphilosoph und Kulturkritiker". Die antisemitischen Passagen seien von anderen in spätere Auflagen des Buches "hineingetragen" worden. Auch Gernot Bayreuther meint, der Schriftsteller sei "von außen beeinflusst" gewesen. Langbehns Antisemitismus sei damals eben "en vogue" gewesen. "Eine direkte Linie zum Nationalsozialismus zu ziehen, ist verkehrt", findet Bayreuther. Auch er betonte: "Langbehn gehört zu Puch."

Einige Stadträte wie Karin Geißler (Grüne) waren entsetzt über solche Äußerungen. "Das ist eine Schande, mit den Argumenten könnte der Marktplatz in Bruck noch Adolf-Hitler-Straße heißen", sagte Axel Lämmle (SPD). Kulturreferentin Birgitta Klemenz (CSU) bekannte, sie fühle sich im Moment nicht wohl in Puch. Jonathan Grundmann vom Brucker "Bündnis gegen Rechts" meinte: "Wenn Langbehn zu Puch gehört, ist der Antisemitismus ein Teil von Puch."

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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